Posen [Poznań]

[Jid. Pozen]

Eines der ältesten und wichtigsten Zentren der jüdischen Ansiedlung in Großpolen. Im Jahre 1264 bekamen großpolnische Juden vom Prinzen Bolesław dem Frommen ein Privilieg erteilt (Kalischer Vorrecht), das ihnen die Fürsorge des Herrschers, und Wohn- und Handelsfreiheit   garantierte, was wesentlich zur Entwicklung der jüdischen Ansiedlung in seinem Herrschaftsgebiet beitrug. Es ist nicht bekannt, wann sich erstmals Juden in Poznań [Posen] ansiedelten. Vermutlich wohnten sie dort schon im 13.Jh., aber der erste urkundliche Eintrag über ihre Anwesenheit in der Stadt stammt aus dem  Jahre 1379. In der ersten Hälfte des 15.Jh. wuchs die Gemeinde schnell an. Juden, die sich vor allem mit der Kredittätigkeit beschäftigten bildeten die Finanzelite der Stadt. Sie besaßen damals ein Viertel aller Häuser in der Sukiennicza-Straße, die in Jüdische Straße umbenannt wurde. Dort wurde eine Synagoge errichtet. Dieses Gebiet wurde zweimal durch einen Brand vernichtet – zuerst im Jahre 1447 und anschließend 1464. Diese Ereignisse und der Zustrom von deutschen Bürgern führten zu einer wirtschaftlichen Krise der jüdischen Gemeinde. Vermutlich kam es auch zu ersten Konflikten mit den hiesigen Christen. Damals wurde eine Anklage formuliert, die den Juden 1399 eine „Profanation der Hostie“ vorwarf. Diese Legende verbreitete sich am Übergang vom 16. zum 17.Jh. Im 16. Jahrhundert wuchs die Gemeinde unter demographischen Gesichtspunkten weiter stark an. Dieser Prozess konnte nicht einmal durch die durch Brände und Epidemien verursachten Zerstörungen der Stadt aufgehalten werden. 1619 wohnten innerhalb des Stadtgebiets und am Rand der Stadt 3130 Juden. Sie besaßen 138 Gebäude, die innerhalb der Stadtmauern lagen. Die Enge, die im jüdischen Viertel herrschte, zwang dessen Bewohner eine Erlaubnis zur Vergrößerung dieses Gebietes zu beantragen. In dieser Zeit befassten sich die Posener Juden vor allem mit Handel und Handwerk. Sie unterhielten enge Kontakte zu den Messezentren in Deutschland, Italien und der Türkei. Die Zunahme der Zahl der Handwerker begünstigte die Entstehung von Zünften. Eine Information über eine jüdische Fleischereizunft stammt von 1651. Die Posener Gemeinde besaß eine weit entwickelte Selbstverwaltungsorganisation, deren Strukturen dank der erhalten gebliebenen Gemeindebücher und Pinkassim (der älteste von ihnen stammt aus dem Jahre 1611) bekannt sind. Sie spielte eine wichtige Rolle in der Verwaltung Großpolens und im jüdischen Sejm. Jüdische Gemeinden in den umliegenden Städten waren von ihr abhängig. Poznań wurde während der „Schwedischen Sintflut“ stark zerstört. Ein späteres Wiederaufleben der Wirtschaft wurde in der 1. Hälfte des 18. Jh. durch die Ereignisse des Nordischen Krieges, große Seuchen und Überschwemmungen verhindert. Die schwierige Lage der jüdischen Gemeinde wurde durch die Anklage in einem Ritualmordprozess, der 1736 initiiert wurde, noch verschärft . Infolge der Teilungen Polens wurde die Stadt Preußen einverleibt. Die Einführung einer neuen Gesetzgebung, und die Entstehung weltlicher Schulen trugen zur Verbreitung der Einflüsse der Haskala bei. Auf der anderen Seite leitete sie einen Prozess der Germanisierung der jüdischen Bevölkerung in Poznań ein. Nach dem nächsten Brand im Jahre 1803 durften Juden in der ganzen Stadt wohnen, was eine allmähliche Änderung der Bräuche und eine zunehmende Assimilation auslöste. Die Verbindungen von Posener Juden zu deutschen Gemeinden wurden immer stärker, und die Kontakte mit jüdischen Ansiedlungen im Königreich Polen wurden schwächer. Als Großpolen gemeinsam mit Poznań nach dem Ersten Weltkrieg an den polnischen Staat fiel, wanderten die dortigen Juden nach Deutschland  aus. Ende der 30er Jahre des 20.Jhs. zählte die Posener Gemeinde ca. 2000 Personen. Viele Juden flohen aus der Stadt, bevor die Deutschen im September 1939 dort einmarschierten. Poznań wurde zur Hauptstadt des Warthegaus, den man dem Reich einverleibte. Im November 1939 verkündete man, dass die Stadt judenfrei gemacht werden solle. Im Dezember begannen die Deutschen mit den Deportationen in die Städte des Generalgouvernements. Von November 1939 bis August 1943 existierte das Arbeitslager „Stadtstadion“ mit 13 Filialen in den umliegenden Orten, wo Juden aus unterschiedlichen Städten des Warthegaus, Deutschlands und der Tschechoslowakei im Straßenbau beschäftigt waren. Nach dem Krieg wohnten noch einige hundert Juden in Poznań, es entstanden dort jedoch keine religiöse oder kulturellen jüdischen Institutionen mehr. Bis heute existiert eine aus dem Jahre 1912 stammende Synagoge, die von den Nationalsozialisten in ein Schwimmbad, das man auch heutzutage nutzt, umgewandelt wurde. Im jüdischen Bereich des Kommunalfriedhofs platzierte man Grabsteine, darunter einige, die aus dem 18.Jh.und der alten jüdischen Nekropolis stammten.

 

Der Text stammt vom Portal Diapozytyw, früher Eigentum des Adam-Mickiewicz-Instituts.
Der nebenstehende Text stammt aus dem Buch „Historia i kultura Żydów polskich. Słownik“ („Die Geschichte und Kultur der Polnischen Juden. Glossar.“), dessen Autoren Alina Cała, Hanna Węgrzynek und Gabriela Zalewska sind. Das Buch wurde beim Verlag WSiP herausgegeben.

Die Übersetzung dieses Textes wurde ermöglicht dank der freundlichen Unterstützung der:

Konrad Adenauer Stiftung Polska

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