Am 20. Januar 2017 sind 75 Jahre vergangen, seit der Plan ins Leben gerufen wurde, mehrere Millionen Juden auf den vom Dritten Reich besetzten Gebieten zu ermorden.


 


Wannsee ist ein malerischer Vorort von Berlin. Seit dem 19. Jahrhundert errichteten wohlhabende Berliner hier ihre eleganten Villen, in denen sie nach einer arbeitsintensiven Woche in der deutschen Hauptstadt etwas Erholung genießen konnten. In einer dieser Villen, die unter der Adresse Am Grossen Wannsee 56/58 zu finden war, trafen sich am 20. Januar 1942 Regierungsvertreter des Dritten Reiches sowie SS-Offiziere. Insgesamt kamen 15 Personen zusammen:


  • Reinhard Heydrich (Chef des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Amtierender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren)
  • Dr. Rudolf Lange (Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Lettland)
  • Dr. Eberhard Schöngarth (Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD)
  • Adolf Eichmann (Leiter Referat IV B 4 Reichssicherheitshauptamt)
  • Heinrich Müller (Chef Amt IV Gestapo Reichssicherheitshauptamt)
  • Otto Hofmann (Chef des SS-Rasse- und Siedlungshauptamtes)
  • Wilhelm Kritzinger (Reichskanzlei)
  • Gerhard Klopfer (Partei-Kanzlei der NSDAP)
  • Martin Luther (Auswärtiges Amt)
  • Dr. Josef Bühler (Regierung des Generalgouverneurs in Krakau)
  • Dr. Roland Freisler (Staatssekretär Reichsjustizministerium)
  • Erich Neumann (Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan)
  • Dr. Wilhelm Stuckart (Reichsministerium des Innern)
  • Dr. Georg Leibbrandt (Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete)
  • Dr. Alfred Meyer (Ständiger Vertreter des Reichsministers, Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete)

Das Treffen fand unter dem Vorsitz des SS-Obergruppenführers Heydrich statt. Bereits im Sommer 1941, kurz nach der Invasion des Dritten Reiches in der Sowjetunion, erhielt er vom Reichsmarschall Hermann Göring die Vollmacht im Hinblick auf die „Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet in Europa”, oder - gemäß einer anderen Formulierung - die „Endlösung der Judenfrage”.


Mit dem Augenblick des Angriffs auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, verübten die Einsatzgruppen der Polizei und SD Massenexekutionen an der jüdischen Bevölkerung. Es kam zu einem Massaker an 24 Tsd. Juden in Kamieniec Podolski (27.-28.08), in Babi Jar (29.09-03.10) wurden über 33 Tsd. Juden ermordet und im Rigaer Ghetto ca. 30 Tsd. Juden exekutiert. Ende 1941 begann man mit dem Bau der Vernichtungslager Belzec und Sobibor, wobei Anfang 1941 das Vernichtungslager Kulmhof in Chełmno nad Nerem in Betrieb genommen wurde. Schätzungen zufolge wurden bis Ende 1941 ca. 900 Tsd. Juden ermordet. 


Während des Treffens in Wannsee sollten Leitlinien für das weitere Vorgehen aufgestellt werden. Es ging um die Koordination von Aktivitäten verschiedener staatlicher Behörden, der Regierung des Generalgouvernements und der Polizei, um möglichen Spannungen bei der Realisierung des gemeinsamen Ziels, der Ermordung der europäischen Juden, entgegenzuwirken. Massenmorde waren jedoch bereits im gesamten von den Deutschen besetzen Osteuropa an der Tagesordnung.


Das Treffen in Wannsee sollte ursprünglich am 9. Dezember 1941 stattfinden. Die Pläne änderten sich jedoch. Genau am 9. Dezember rief Adolf Hitler ranghohe Beamte des Dritten Reiches zusammen, um sie darüber zu informieren, dass die Vereinigten Staaten Japan den Krieg erklärt hatten. In den folgenden Tagen erklärte das Dritte Reich den Vereinigten Staaten den Krieg.



 


Die Versammlung in der „Judenfrage“ wurde daher auf den 20. Januar 1942, um 12 Uhr, verlegt. Die Konferenz dauerte ca. 1,5 Stunden. Nach ihrem Ende brachen die Gäste zum Mittagessen auf. Dank des erhaltenen und von Eichmann erstellten Protokolls, welches später von Heydrich bearbeitet wurde, kennen wir die während der Sitzung besprochenen Themen. Heydrich stellte den bisherigen Verlauf der Vernichtung der Juden auf „deutschem Lebensraum“ dar. Die Deportationen umfassten ca. 600 Tsd. Juden.  Der nächste Schritt sollte die Einführung des Vorhabens der „Endlösung der Judenfrage” in ganz Europa sein, laut Heydrichs Schätzungen kämen hierfür ca. 11 Mio. Juden in Betracht. Im Protokoll wurde festgehalten, dass die jüdische Bevölkerung systematisch „nach dem Osten” deportiert werden sollte, was in Wirklichkeit jedoch Deportationen in die Vernichtungslager bedeutete.


Die Beschlüsse der Wannsee-Konferenz wurden zur Grundlage des verbrecherischen Plans des Völkermordes an den europäischen Juden. Im Frühjahr 1942 wurde das Vernichtungslager Treblinka errichtet. Zur gleichen Zeit begann die „Aktion Reinhardt“, während dieser die Deutschen mehr als 2 Mio. Juden im Generalgouvernement ermordeten. Insgesamt wurden aufgrund der gezielten Politik des Dritten Reiches ca. 5-6 Mio. europäischer Juden ermordet.      


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Seit 1992 befindet sich in der Villa das Museum „Haus der Wannsee-Konferenz. Gedenk- und Bildungsstätte.” Für die Besucher wurde eine Dauerausstellung vorbereitet, die der Konferenz aber auch den einzelnen Etappen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik der Deutschen gewidmet ist. Es werden auch Wanderausstellungen organisiert. Das Museum verfügt über ein vielfältiges Angebot an Bildungsprogrammen. Es besteht die Möglichkeit vor Ort die Mediathek zu nutzen. Auf der Internetseite des Hauses der Wannsee-Konferenz in Wannsee wurde mit der Konferenz in Wannsee sowie dem Holocaust verbundenes Archivmaterial zur Verfügung gestellt.

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