Und wenn ihr in das Land kommet und allerlei Bäume zur Speise pflanzet, so sollt ihr ihre erste Frucht als ihre Vorhaut achten; drei Jahre sollen sie euch als unbeschnitten gelten, es soll nichts von ihnen gegessen werden; und im vierten Jahre soll all ihre Frucht heilig sein, Jehova zum Preise;  und im fünften Jahre sollt ihr ihre Frucht essen, um euch ihren Ertrag zu mehren. Ich bin Jehova, euer Gott.

(3. Buch Mose, 19:23-25)

Dieses Gebot, welches im 3. Buch Mose verankert ist, erfordert die Einhaltung eines recht strikten Kalenders. Damit die Zeitrechnung einfach und klar ist, hat man als Ausgangspunkt das „gemeinsame Neujahrsfest der Bäume“ definiert – den Beginn der Pflanzperiode in Palästina, die gemäß der dortigen Tradition auf den 15. Tag des Monats Schewat fällt. Dieser Tag findet bereits in der Mischna, während des Rosch ha-Schana, Erwähnung. Der 15. Tag des Monats Schevat wurde dort als eines der jüdischen Neujahrsfeste vermerkt. Wie man jedoch nur unschwer erkennen kann, fällt dieses „Neujahrsfest der Bäume“ (hebr. Rosch ha-Schana La-llanot) für Juden, die in Mittel- und Osteuropa leben, in die Tiefen des Winters.

Im gregorianischen Jahr 2017 beginnt Tu BiSchevat, oder wie man früher sagte Chamischa Asar biSchevat, am Samstag, dem 11. Februar, mit dem Sonnenuntergang. Tu BiSchevat gehört nicht zu den wichtigsten jüdischen Festen, weswegen man an diesem Tag der Arbeit nachgehen kann, da es kein Fastentag ist.

Tu BiSchevat, 1951, Foto: PikiWiki – Israel (öffentliche Domäne)

Man ist der Auffassung, dass die Regulierung der Altersbestimmung der Bäume sehr wichtig war, denn die jüdischen Bauern waren dazu verpflichtet, Opfergaben in Form von Obst zu erbringen, deren Höhe vom Alter der Bäume abhängig war. Der jüdische Gelehrte RaMBaN (Nachmanides, Moses ben Nachman, 1194-1270) gab an, dass „die ersten Früchte eines jeden Baumes dazu genutzt werden sollten, um gegenüber dem Herrn seine Dankbarkeit auszudrücken und seine Herrlichkeit zu preisen. Da jedoch Früchte, die in den ersten drei Jahren hervorgebracht werden, noch nicht reif genug und damit für diesen Zweck ungeeignet sind, schreibt die Thora vor, die Früchte erst im vierten Jahr zu verzehren.” Demgegenüber unterstrich Raschi (Schlomo Jizchacki, 1040-1105), dass der Baum in den ersten drei Jahren „versiegelt” und „abgeschnitten” sein sollte, sodass niemand aus ihm einen Nutzen ziehen sollte. Der letzte Satz des angeführten Fragments der Thora unterstreicht die Kraft der Verpflichtung. Der Kommentar Haamek dawar, von Naftali Cwi Jehuda Berlin (1817-1893), dem Rosch-Jeschwia in Wołożyn, welcher im Jahre 1880 in Vilnius veröffentlicht wurde, besagt: „Obgleich ich euch im Gegenzug für die Einhaltung dieses Gebots großen Wohlstand versprochen habe, befolgt dieses Gebot nicht nur aus diesem Grund. Haltet es ein, denn «Ich, der Herr, bin euer Gott» und ihr aber wollt meinen Willen erfüllen“.

Der Premierminister Israels, Dawid Ben Gurion, pflanzt einen Baum während des Tu BiSchevat, 1951, Foto: PikiWiki – Israel (öffentliche Domäne)

Im Mittelalter kamen Gläubige zum Anlass dieses Festes zu einem Abendmahl (Tu BiSchevat-Seder) zusammen, bei dem unterschiedliche Früchte verzehrt wurden. Im 16. Jahrhundert verlieh eine Gruppe von Mystikern um Isaak Luria dem Brauch des Verzehrs der Früchte – der Früchte des Landes Israel –  eine symbolischen Bedeutung. Begleitet wurde der Brauch von der Lesung entsprechender Fragmente der Thora, des Talmuds und anderer Schriften sowie dem Segen über dem Wein. Heute wird dieser Brauch auch außerhalb der Grenzen Israels kultiviert. Für die Juden in Polen ist die Teilnahme am Seder, also dem festlichen Mahl, eine Bestätigung der Bindung mit dem Lande ihrer Urväter, dem „Lande, in dem Milch und Honig fließen“. In Polen finden diese Abendmahle meistens in Gemeinden statt. Die Feierlichkeiten im häuslichen Rahmen fallen eher bescheiden aus.

Bäume, die bei Workshops für Familien während des Festes Tu BiSchevat entstanden sind, Zentrum für Familien-Workshops Museum POLIN, Foto: Alicja Szulc / POLIN

Anfang des 20. Jahrhundert führten jüdische Siedler in Palästina einen Brauch ein, bei dem zum Anlass von Tu BiSchevat Bäume gepflanzt werden. Für die Bewaldung des Landes Israel engagierte sich besonders der Fonds Keren Kajemet le-Israel, der diesen Brauch vor allem unter Kindern propagierte. Schätzungen zufolge gelang es zwischen 1901 und 1939 rund 2,5 Mio. Bäume zu pflanzen. Im heutigen Israel ist Tu BiSchevat ein Vorwand für Diskussionen über den Umweltschutz sowie praktische Maßnahmen in seinem Rahmen. Auch die Pflanzung von Bäumen, an der Schulkinder sowie ihre Lehrer teilnehmen, wird fortgeführt. Ein unverändertes Element des Tu BiSchevat ist das festliche Abendmahl, an dem für die Region charakteristische Gaben der Erde verzehrt werden: Getreide (in Form von Teigwaren), Weintrauben, Feigen, Datteln, Oliven und Granatäpfeln.

Foto: Magdalena Starowieyska / POLIN

Das Zitat aus der Thora entstammt aus der Elbefelder Bibel aus dem Jahre 1905. Die Kommentare und Zitate der angeführten jüdischen Gelehrten in eigener Übersetzung aus dem Polnischen ins Deutsche.

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