Die Anfänge von Czernowitz sowie der jüdischen Gemeinschaft hängen mit der Staatsgründung von Moldawien Mitte des 14. Jahrhunderts zusammen (zuvor existierte hier wahrscheinlich eine Stadt der Kiever Rus, die bei den Anstürmen der Tataren und Mongolen vernichtet wurde). Die älteste schriftliche Erwähnung über Juden in der Grenzstadt an der Pruth stammt vom Oktober 1408 als das Privileg des Hospodar Aleksandr Dobry für Kaufleute aus Lemberg verabschiedet wurde. Zu dieser ältesten Gemeinschaft gehörten sowohl aschkenasische Juden aus dem Norden als auch Sephardim vom Balkan. Die Nachbarschaft zu den Gebieten der Rus, die teilweise zu Polen und später zu Polen-Litauen gehörten, bewirkte, dass mit der Zeit die jiddischsprachigen aschkenasischen Juden zur Mehrheit wurden (vor allem nach dem Chmelnyzkyj-Aufstand im Jahre 1648).

Die Nähe zur Grenze bewirkte, dass die Bevölkerung von Czernowitz wiederholt Kriegen zum Opfer fiel und das Städtchen von Einheiten der polnischen, moldawischen, russischen, tatarischen Streitkräfte oder von Kosaken geplündert wurde. Trotz dieser Tragödien konnte die jüdische Gemeinschaft sich schrittweise entwickeln, auch dank des internationalen Handels entlang der Route aus Nürnberg über Breslau, Krakau, Lemberg bis nach Moldawien und weiter nach Adrianopol und in die Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Die Gemeinschaft konnte sich als sog. Bresla jidovesca (lat. jüdische Zunft), also als Gemeinschaft, die von einem Oberhaupt (staroste oder rosh medina) geleitet wurde, schrittweise festigen. Die Beziehungen zwischen der jüdischen Gemeinschaft und den christlichen Einwohnern wurden in Moldawien in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch besondere Privilegien des Monarchen (hrisov genannt) reguliert. Besonders wichtig war eins aus dem Jahr 1622, welches von den Jassen in der Hauptstadt für die Juden erlassen wurde (bestätigt 1666). Es erlaubte den jüdischen Gemeinden den Bau einer Synagoge (in Czernowitz im Jahre 1710) sowie die Errichtung eines eigenen Friedhofs (um 1700). Zeitgleich legte dieses Gesetz die Stadtteile fest, in denen sich Juden niederlassen durften, sowie auch die Höhe der Kopfsteuer, deren Eintreibung zu den wichtigsten Pflichten des Starosten gehörte. Wichtige Änderungen dieser Regelungen kamen in der sog. Zeit der Phanarioten (nach 1711), die durch extremen Fiskalismus der vom Sultan ernannten griechischen Regierung in Konstantinopel gekennzeichnet war. Die Eintreibung der Steuern war von da an Pflicht der Rabbiner, die von Beamten bestätigt wurden und an der Spitze der Gemeinde standen. Die Gemeinde in Czernowitz wurde im 18. Jahrhundert erst von Hirsz und über die folgenden 35 Jahre von Lazar Israel (1747-1782) verwaltet. Auch die Namen anderer Rabbiner sind bekannt: Meir Ben Jechiel (verst. 1740), Israel Josef Ehrendorf, Simchy Zeew aus Kut (verst. 1780) und Baruch Szlomo Ben Szlomo (verst. 1793).

Eine komplett neue Epoche in der Geschichte der Stadt an der Pruth begann mit der Annexion des nordwestlichen Teils des Fürstentums Moldau durch die Habsburgermonarchie im Jahr 1774 auf Grundlage des Friedens von Küçük Kaynarca. Die Österreicher profitierten bei der Expansion im Osten auch von der ersten Teilung Polens sowie der Entstehung von Galizien und Wolhynien. Die traditionell antijüdische Politik der neuen Machthaber lieferte keine Anzeichen dafür, dass in diesem ärmsten Teil des Imperiums ein großes jüdisches Zentrum entstehen würde. Unter der militärischen Verwaltung in den Jahren 1778-1786 wurde es Juden von General Karl von Enzenberg verboten, in der Stadt zu leben (auf Grundlage dieses Verbots sollten ca. 400 jüdische Familien ausgesiedelt werden), was sich aber recht schnell als ein Scheindekret erwies, wenngleich es bis 1848 gültig war. Der Wiederaufbau der Stadt nach dem türkisch-russischen Krieg (1768-1774), als u. a. die hölzerne Synagoge niedergebrannt wurde, wurde durch die Tatsache begünstigt, dass Czernowitz zur Hauptstadt der neuen administrativen Einheit Bukowina wurde. Die 1770 auf dem anderen Ufer der Pruth errichtete Stadt Sadhora, Eigentum des russisch-dänischen Bankiers Peter Nicolaus von Gartenberg, wurde schnell zu einem Zentrum der Anhänger des Chassidismus. Der große Zustrom von Juden aus den polnischen Gebieten wurde durch die administrative Verbindung Moldawiens mit Galizien (1786-1849) begünstigt. Die von diesem Phänomen beunruhigte österreichische Regierung versuchte ihm erfolglos entgegenzuwirken bzw. es einzuschränken, da sie die Konkurrenz seitens der polnischen Juden fürchtete (vor allem der von Enzenberg nominierte staroste Josef Schmuel Pultower).

Schließlich wurde im Juni 1789 von Joseph II. die sog. josephinische Judenordnung erlassen, womit die Juden aus Czernowitz rechtliche Stabilität erhielten, indem die bisherige moldawische Form der jüdischen Selbstverwaltung aufgehoben und hier eine von zwei sog. Kultusgemeinden in der Bukowina gegründet wurde. Die Wahl zum Gemeindevorsitz wurde zum Schauplatz einer Rivalität zwischen konservativen Anhängern des Chassidismus und jenen, die sich zur Aufklärung bekannten (sog. Maskilim). Zu den in den Stadtrat gewählten Mitgliedern gehörten in den ersten Jahrzehnten: Aron Amster, Salomon Bayer, Beer Rosenthal, Juedl Schmiedenauer und Salomon Zahn. 1789 stand der Rabbiner Chaim ben Schlomo Tyrer, auch Chaim Czernowitzer (1760-1816/17) genannt, an der Spitze der Gemeinde. Er war Autor zahlreicher theologischer Werke, Anhänger des Chassidismus und entschiedener Gegner der Haskala. Czernowitzer stellte sich mutig allen für Juden unvorteilhaften Handlungen der Regierung entgegen. Als er 1807 nach zahlreichen Konflikten die Stadt verließ, übernahmen die Juristen Moses M. Loewy, Meier Reiner und Efraim Zelniker sein Amt. Erst 1833 wurde Isak Schimschon Horowitz-Meisels zum Rabbiner ernannt und blieb bis 1870 das geistige Oberhaupt der Gemeinde. Die stetig wachsende Bedeutung sowie der Wohlstand der Gemeindemitglieder wurden von einen zunehmenden Konflikt zwischen den orthodoxen Juden (Chassidim) und den Anhängern eines reformierten Judentums begleitet. Im Jahr 1872 verließen die Chassidim die Gemeinde, weswegen es eine Zeit lang zwei Gemeinschaften gab: eine orthodoxe, die sich aus Anhängern des Rabbiners Horowitz-Meisels zusammensetzte, sowie eine fortschrittliche Gemeinschaft, an deren Spitze Eliezer Elijah Igel (1825-1892), ein bekannter Philologe, stand. Der Konflikt endete erst nach Vermittlungen des Bürgermeisters sowie des Präsidenten der Oblast. Der Kompromiss aus dem Jahr 1875 sah vor, zwei Rabbiner zu haben: einen fortschrittlichen Oberrabbiner sowie einen orthodoxen Rabbiner, der Aww Beth Din genannt wurde. Igel wurde zum Oberrabbiner ernannt, Benjamin Weiss (1841-1912) wiederum zum orthodoxen Rabbiner. Ein sichtbares Zeichen der Teilung unter den jüdischen Gläubigen war die Tatsache, dass binnen kurzer Zeit zwei Synagogen erbaut wurden – die große Synagoge von 1853 sowie die fortschrittliche Synagoge, auch Tempel genannt, die in den Jahren 1873-1877 nach dem Entwurf des Lemberger Architekten Julian Zachariawiecz errichtet wurde.

Zur Zeit der Habsburger Monarchie (1868-1918) wurde die Bukowina, vor allem aber ihre Hauptstadt, zum Schauplatz für ein ungewöhnliches ethnisch-kulturelles Experiment: Sie wurde zu einem Schmelztiegel, in dem verschiedene Volks- und Religionsgruppen vergleichsweise friedlich zusammenlebten – eine Miniatur von Österreich-Ungarn. Das einzigartige Merkmal an dieser Region war die führende Rolle der jüdischen Gemeinschaft. Kulturell und sprachlich identifizierten sich die Juden in Czernowitz mit der deutschen Kultur und Sprache – 57% all jener, die sich als Deutsche bezeichneten, waren jüdischen Glaubens. Die Aufhebung des Siedlungsverbots sowie des Erwerbs von Immobilien im Jahr 1867 führte zu einer vermehrten Ansiedlung von Juden in der Stadt. Dies wurde in Wien sehr positiv aufgenommen, da man eine Chance sah, mit Hilfe der jiddischsprachigen Juden, die der deutschen Kultur nahestanden, diese vernachlässigte und ferne Provinz stärker an die Monarchie zu binden. Mitte des 19. Jahrhunderts stellten die Juden ca. 20% der 20 000 Einwohner der Stadt dar. Am Vortag des Ersten Weltkriegs stieg ihr Anteil auf 33%, in absoluten Zahlen von 5 000 auf 29 000 Zur Jahrhundertwende wurde die jüdische gesellschaftliche und politische Szene von Benn Straucher, einem langjährigen Abgeordneten im Wiener Parlament und Verteidiger nationaler Interessen seiner Mitbekenner, dominiert. Alle anderen konservativen, liberalen oder sozialistischen Organisationen standen in seinem Schatten.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in Czernowitz ein gesondertes Viertel, die sog. Judenstadt, die folgende Straßen umfasste: Bahnhofsstraße, Springbrunnenstraße, Synagogenstraße und Niederjudengasse. Die Juden übernahmen eine dominierende Rolle in der städtischen Wirtschaft, da sie Inhaber der meisten industriellen Betriebe und Banken waren. In der Habsburgerzeit beschränkte sich die Industrie auf einige gut prosperierende Unternehmen. Die Dampfmühle Schlossmann, die seit 1867 existierte, wurde von Juden aus Breslau errichtet. In jüdischer Hand befanden sich auch drei Brauereien, mit der größten Aktienbrauerei an der Spitze. Auf dem Weinberg entstanden Ziegelöfen der Firma „Patria“ und von H. Trichter (Wand- und Küchenfliesen). Ferner besaßen Juden sechs Ölraffinerien. Die Wälder in der Umgebung der Stadt gehörten hingegen überwiegend der orthodoxen Kirche, die auch die Abholzung bewilligte. Von den 34 größten Sägewerken waren 28 in jüdischer Hand. Zu den wichtigsten Industriellen gehörten: Emanuel Fischer (Pottasche), Emanuel Axelrad (Zement), Moki Fischer und Nathan Eidinger (Zuckerfabrik), Fredric Fischer (Glashütte), die Gebrüder Kraft und Luttinger (Mühlengewerbe). Es gab zahlreiche Handwerksbranchen (z. B. Klempner, Glaser) deren Vertreter alle jüdisch waren. Die Organisation des Baugewerbes, welche vom Gemeinderatsmitglied M. Picker geleitet wurde (sein Nachfolger war Elias Grill), hatte ihren Sitz in der Dreifaltigkeitsgasse. Juden stellten auch die Mehrheit unter den Uhrenmachern, Goldschmieden, Fotografen, Tischlern, Schneidern und Schustern. Auch die Hotels mit luxuriösen Restaurants gehörten ausnahmslos Juden, wie bspw. Mołdawia, Zum Schwarzen Adler, Central Palace oder Bristol. Ähnlich sah es auch mit beliebten Cafés aus, wie dem Casino de Paris, Europa oder Astoria. Ferner war die Mehrheit der Banken (mit vereinzelten Ausnahmen) sowie ihre Direktoren, Vorstandsmitglieder und Versicherungsanstalten (Phoenix, Assicuracioni Generali, Reunione Adriatica, Nordatern) in jüdischer Hand.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde ein enormer Anstieg an Juden verzeichnet, die freie Berufe ausübten. Beispielsweise gab es 1855 nur zwei jüdische Juristen am Landesgericht (Josef Fechner und Josef Wohlfeld); 50 Jahre später hingegen war es schwer einen Juristen zu finden, der nicht jüdischen Glaubens war. Jüdische Ärzte hatten in der Regel eine private Praxis. Da auch ihre Zahl stetig stieg, wurde mit der Zeit Medizin als jüdischer Beruf angesehen. Im technischen Bereich mussten die Juden jedoch der nichtjüdischen Konkurrenz weichen. Den Zuwachs an Juden in den intellektuellen Eliten begünstigte auch die Gründung einer Universität 1875. Im akademischen Jahr 1903/1904 besuchten von 640 Studenten ca. 270 Juden die Veranstaltungen. Die Zahl und der Wohlstand der jüdischen Intellektuellen beeinflusste auch die Entwicklung des jüdischen Pressewesens. Auch Bildungs- Kultur- und Sporteinrichtungen (darunter Amateurtheater) sowie karitative Einrichtungen erlebten eine Blütezeit.

 Über die Rolle von Czernowitz im intellektuellen Leben der jüdischen Diaspora zeugt bspw. die Wahl der Stadt für eine Konferenz über die Rollen und Position der jiddischen Sprache im Leben der ganzen Nation. Sie wurde von Nathan Birnbaum und einer Reihe an Intellektuellen aus New York initiiert und fand im August/September 1908 in der Hauptstadt der Bukowina statt. Rund 70 herausragende Vertreter der Wissenschaft, Literatur und Politik nahmen an ihr teil, u. a. Icchok Perec, Abraham Rajzen, Szalom Asz, Hirsz Dawid Nomber oder Noach Pryłucki. Die Konferenz in Czernowitz war ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung und Etablierung der jiddischen Bewegung. Das damals formulierte Postulat Jiddisch als Nationalsprache anzuerkennen wurde von den Anhängern der hebräischen Sprache abgelehnt, was sie mitunter damit begründeten, dass zu Anfang des 20. Jahrhunderts zionistische Ideen, die Hebräisch als Sprache der Väter in dieser Rolle sahen, immer stärker verbreitet waren.

Das Ende des Ersten Weltkriegs 1918 sowie der blitzartige Zusammenfall der Doppel-Monarchie bedeuteten für alle Einwohner der Bukowina dramatische Veränderungen, vor allem für Juden, die auf einmal zu einer nationalen Minderheit wurden. Im Herbst, als der Untergang von Österreich-Ungarn bereits besiegelt war, füllten sich die Straßen mit bewaffneten, aus ihren Einheiten desertierten Soldaten. Der Arzt Ferdinand Sternlieb sowie der Oberleutnant Leon Schmelzer gründeten eine spontan organisierte Miliz, die imstande war, in der Stadt für Ordnung zu sorgen. Ferner wurde ein Komitee ins Leben gerufen, um den rund 6 000 jüdischen Flüchtlingen aus der Ukraine zu helfen (erst war Schaj Goldfeld der Vorsitzende, nach ihm folgte Karl Klueger).

Nach einigen Tagen unter der ukrainischen Regierung bereitete der Einmarsch von rumänischen Truppen in Czernowitz am 11. November 1918 den Menschen große Sorgen, da man wusste, was den Mitbekennern in Rumänien passiert war. In den offiziellen Dokumenten wurden die Juden als Evrei bezeichnet, wogegen sie umgangssprachlich Jidani genannt wurden, also „jüdischer Schuft“. Die ersten Monate unter rumänischer Verwaltung brachten zunächst eine Lockerung der Politik gegenüber der jüdischen Gemeinschaft, da die Regierung in Bukarest auf die Ergebnisse der Pariser Friedenskonferenz, bei der über das Schicksal der erträumten Romania Mare entschieden wurde, wartete. Der Frieden der Alliierten mit Österreich im September 1919 in Saint-Germain-en-Laye bestimmte, dass die Juden aus Czernowitz unter die Herrschaft Ferdinands I. kamen. Obwohl die Regierung in Bukarest den sog. kleinen Versailler Vertrag unterzeichnet hatte, erwies sich das Versprechen der Gleichberechtigung für Juden als Illusion. Die rumänischen Regierungen versuchten immer wieder die Rolle der Juden in Handel und Industrie einzuschränken. Die Interessen der jüdischen Gemeinschaft wurden anfangs vom Jüdischen Nationalrat vertreten (von Dezember 1918 bis Dezember 1919), später wiesen all jene Juden, die Mitglieder in rumänischen Parteien waren, auf das Schicksal ihrer Mitbekenner hin. Einige Juden aus der Bukowina erlangten in der Zwischenkriegszeit Mandate für beide Kammern des Parlaments in Bukarest (darunter der bekannte Historiker Manfred Reifer und der Sozialist Jacob Pistiner). Juden, die im Stadtrat von Czernowitz saßen, seltener im Präsidium, hatten jedoch nur noch einen sehr eingeschränkten Einfluss auf die Ereignisse. In der Region um Czernowitz waren es u. a.: Norbert Zlocower, Leo Schnapp und Marcus Kraemer. Ende der 20er Jahre waren Oberlaender und Karl Klueger die Stellvertreter des Bürgermeisters. Sogar in der Handelskammer, wo Juden die Mehrheit stellten, war der Posten des Vorsitzenden für einen Rumänen reserviert. Die studentischen Organisationen setzten ihren Betrieb fort bis die rumänische Regierung diesem 1936 ein Ende setzte. Die bis 1936 herausgegebene jüdische Presse wurde zunehmend zensiert. Eine Politik der Romanisierung aller Minderheiten, die über 30% des Königreichs betraf, zielte auch auf die Juden in Czernowitz ab. Da sich die Regierung in den neuen Landesgrenzen, in denen es bis Ende des Ersten Weltkriegs es vier Amtssprachen (Rumänisch, Deutsch, Ungarisch und Russisch) gegeben hatte, konsolidieren wollte, griff sie die nichtrumänische Presse, Bildung und Wissenschaft an. In der Bukowina und in Czernowitz bedeutete dies den Kampf mit dem Deutschtum, mit dem sich die überwältigende Mehrheit der Juden, vor allem die Intellektuellen, identifizierte. Paradoxerweise bedeutete dies, die Stärkung von Jiddisch und Hebräisch sowie den Anstieg des jüdischen Nationalbewusstseins (in Österreich-Ungarn waren Juden nur eine religiöse und keine nationale Minderheit gewesen). Die statistischen Erhebungen aus dem Jahre 1930 ergaben, dass trotz der stetigen Romanisierung der Stadt Juden die größte Gruppe in der Stadt darstellten – 43 000 von 112 000 (38%). Der Bedeutungsverlust der jüdischen Gemeinschaft, die mitunter aus öffentlichen Ämtern vertrieben wurde, war besonders in der Bildung sichtbar, vor allem in der zweiten Hälfte der 30er Jahre. Der Anteil der jüdischen Schüler in den öffentlichen Gymnasien fiel von 18% auf 9%. An der Czernowitzer Universität wurde ferner ein Numerus Clausus für Studenten jüdischen Glaubens eingeführt. Trotz der widrigen sozialen und politischen Bedingungen war Czernowitz weiterhin ein wichtiges jüdisches Kulturzentrum.

Im Juni 1940 zwang die Sowjetunion die rumänische Regierung mit Hitlers Einverständnis Bessarabien, dessen Zugehörigkeit zu Rumänien von Moskau nie anerkannt worden war, sowie den nördlichen Teil der Bukowina, in der Juden und Huzulen überwogen, abzutreten. Dies bedeutete für die Juden aus Czernowitz einen erneuten Wechsel ihrer staatlichen Zugehörigkeit. Unter den Volksgruppen und lokalen Regierungsvertretern war zu dieser Zeit Antisemitismus weit verbreitet, da man den Juden die Schuld an den Veränderungen gab und sie als natürliche Anhänger des Bolschewismus ansah. Wenige Tage bevor die Rote Armee am 28. Juni einmarschierte, gab es eine große Welle an Übergriffen gegen die jüdische Bevölkerung in den Städten der Bukowina. Kurze Zeit später sollten Vertreter aller Volksgruppen die „Wohltaten“ der neuen Regierung kennenlernen. Auch die Juden in Czernowitz wurden selbstverständlich zum Opfer des sowjetischen Terrors, vor allem da sie in all jenen gesellschaftlichen Schichten dominierten, die allgemein als volksfeindlich galten. Schätzungen zufolge wurden rund 3 000 Mitglieder der Gemeinde ins Innere der Sowjetunion deportiert. Darunter waren nicht nur sog. „Ausbeuter“, sondern auch Vertreter der intellektuellen Eliten und Aktivisten verbotener sozialer, religiöser, kultureller und sportlicher Organisationen.

Nach dem Angriff des Dritten Reiches auf die Sowjetunion wurde Czernowitz bereits am 5. Juli 1941 von deutschen und rumänischen Truppen eingenommen. In den ersten drei Tagen wurde die Stadt, allen voran das jüdische Viertel, Opfer eines Pogroms, welches in solchen Ausmaßen bislang unbekannt gewesen war. Schätzungen zufolge wurden damals ca. 600 Juden ermordet und es kam zu Vergewaltigungen, Plünderungen und Zerstörungen von jüdischen Geschäften, Institutionen und Wohnungen. Die deutsche Einsatzgruppe D, die von Otto Ohlendorf angeführt wurde, verhaftete ca. 1 500 Vertreter der jüdischen intellektuellen Eliten, Unternehmer, Politiker und Geistlichen und ermordeten sie. Am 1. August wurden 700 Juden festgenommen und getötet. Unter den Opfern befand sich u. a. Abraham Jacob Mark, der Oberrabbiner der Gemeinde. Seine reformierte Synagoge wurde niedergebrannt. Die restlichen 50 000 Juden aus der Stadt wurden am 11. Oktober in 4 000 Wohnungen in einem armen Viertel im Norden der Stadt zusammengepfercht. Die Errichtung dieses Ghettos auf Befehl des Präfekten Alexandru Riosanu dauerte lediglich 18 Stunden. Zeitgleich wurden rund 5 000 bis 6 000 Juden nach Transnistrien (eine Region im südlichen Podolien, unweit von Odessa, die von rumänischen Truppen besetzt war) deportiert. Bis Mitte November waren rund 32 000 Menschen von diesen Deportationen betroffen, zwei Jahre später waren nur noch wenige hundert von ihnen am Leben. Weitere Transporte wurden vom damaligen rumänischen Ministerpräsidenten und Marschall Ion Antonescu aufgehalten. Auch der Bürgermeister von Czernowitz, Traian Popovici, bemühte sich die Deportationen zu beenden, indem er auf die wirtschaftlichen Verluste hinwies, die sie nach sich zogen. Weiterhin lehnte er es ab, das Ghetto mit Stacheldraht zu umzäunen. Den verbliebenen 20 000 Menschen (vor der Popovicis Intervention hätten nur 200 am Leben bleiben sollen) gewährte man die Rückkehr in ihre geplünderten Häuser. Spezielle Kommissionen definierten bestimmte Berufsgruppen, denen der Verbleib in der Stadt erlaubt werden sollte (sie vergaben sog. Autorisierungen). Wer eine abgeschlossene Ausbildung hatte und zwischen 16 und 60 Jahre alt war, musste Zwangsarbeit für das kämpfende Rumänien leisten. Weitere Deportationen fanden dennoch in drei Phasen im Juni 1942 statt und umfassten rund 5 000 Personen, vor allem nichtarbeitsfähige Menschen sowie Kinder und einen Teil der Frauen. Die erneute Besatzung durch die Rote Armee im Februar 1944 erlebten nur noch 15 000 von einst 50 000 Juden in Czernowitz. Eine sehr große Mehrheit von ihnen wanderte später nach Rumänien und von dort weiter nach Israel aus.

Während der sowjetischen Zeit kamen viele ukrainische Juden in die Stadt, was teilweise einen Aufbau einer neuen Gemeinschaft ermöglichte. Laut der ersten sowjetischen Volkszählung aus dem Jahr 1959 lebten in der Stadt 37 000 Juden, womit sie 26% der 142 000 Einwohner ausmachten. 20 Jahre später wurden nur noch 21 000 Personen gezählt (10%). Im Jahr 1959 wurde die im Krieg zerstörte reformierte Synagoge wieder aufgebaut, wenngleich sie als Kino dienen sollte. Die religiösen Bedürfnisse der Gemeinde mussten von der erhalten gebliebenen Synagoge gestillt werden. 1965 wurde Sadhora, bis zur Zeit des Holocaust ein wichtiges chassiddisches Zentrum, an Czernowitz angeschlossen. Eine weitere Auswanderungswelle kam in den 80er Jahren als die Sowjetunion sich langsam dem Zerfall neigte. Auch in den ersten Jahren der unabhängigen Ukraine wanderten zahlreiche Juden aus. Im Jahr 1989 zählte die jüdische Gemeinschaft 17 000 Menschen (7%), im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts hingegen schrumpfte diese Zahl auf 1 300 (0,5% aller Einwohner). Ein wichtiges Ereignis im Leben der Gemeinschaft, die sich um die Eliezer-Shteynbarg-Vereinigung, die die Idee des Jerusalem an der Pruth kultivierte, versammelte, war die Stiftung eines Museums der Geschichte und Kultur der Juden aus der Bukowina. Das Museum wurde zum 600-jährigen Jahrestag des Privilegs von Hospodar Aleksandr Dobry im Jahr 2008 im restaurierten Jüdischen Volkshaus, welches heute als städtischer Kulturpalast dient, eröffnet.

 

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