Die ersten jüdischen Siedler kamen nach Posen wahrscheinlich Mitte des 13. Jahrhunderts. Die älteste schriftliche Erwähnung über die Pläne der Errichtung einer Synagoge stammen aus dem Jahre 1367. Wahrscheinlich gab es bereits zu der Zeit eine organisierte jüdische Gemeinde. Es war eine der ältesten und wichtigsten Gemeinden auf polnischem Gebiet. Ihre Entstehung wurde durch all jene Juden begünstigt, die nach Posen aus Deutschland, Frankreich und Tschechien flüchteten. Den sich in Posen ansiedelnden Flüchtlinge eilte Boleslav der Fromme zu Hilfe, indem er den Posener Juden eine Reihe an Privilegien verlieh. Über die Beständigkeit der Besiedlung zeugt die Tatsache, dass die Ankömmlinge in Posen auf herausragende Talmudisten trafen, die eine eigene Abwandlung der Liturgie, die sog. Minhag Pozna predigten. Des Weiteren wurden im Jahre 1507 die Mitglieder der Gemeinde verpflichtet, eine Königssteuer in Höhe von 200 Zloty zu entrichten, was die Bedeutung der Gemeinde zusätzlich belegt. Bereits im 15. Jahrhundert bildete Posen mit Krakau, Lemberg und Lublin die sog. Tetrapole, die 1581 in den Sejm der Vier Länder (Waab Arba Aracot) umgewandelt wurde. Der Sejm war bis 1764 die Obrigkeit für alle jüdischen Gemeinden in Polen[1.1].
Die Entwicklung der Gemeinde wurde im 16. Jahrhundert durch die sephardischen Juden aus Ungarn begünstigt. Infolgedessen stieg die Bevölkerungszahl im jüdischen Viertel, welches anfangs entlang der ul. Tkacka lag, die kurze Zeit später in die Judenstraße umbenannt wurde (ul. Żydowska). Sie befand sich am Ende der ul. Dominikańska zwischen dem Rathaus und der Mäander der Warthe. Das Viertel begann sich sukzessiv zu vergrößern. Es umfasste den Alten Markt sowie das Gebiet um die Straßen Żydowska, Szewska, Wroniecka, Stawna[1.2]. Das Viertel wurde oft von Bränden heimgesucht. Einer der tragischsten Brände fand im Jahre 1447 statt, als fast alle jüdischen Häuser dem Feuer zum Opfer fielen.
Im Jahre 1565 befanden sich in Posen 50 jüdische Mietshäuser und Häuser, ein Doktorhaus sowie drei Gebetshäuser, in denen die Synagogendiener und Kantore lebten. Ferner gab es noch zwei Synagogen und 43 von Christen gemietete Häuser, deren Zahl aber schwankte[1.3]. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verstärkte der Zustrom der jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland die Wohnungsprobleme in der Stadt. Unterschiedlichen Autoren zufolge lebten im Jahre 1590 in Posen 1500 Juden, in den Jahren 1618-1619 waren es zwischen 2000 und 3226 Personen. Obwohl der Anteil der jüdischen Häuser von 21,7% Mitte des 16. auf 36% Mitte des 17. Jahrhunderts stieg, konnte das die sozialen Probleme nicht lösen. Im Jahre 1558 waren es 58 jüdische Häuser, 1613 - 147 und 1655 insgesamt 128 Häuser, wovon 116 bewohnt waren. Die Bevölkerungsdichte in den einzelnen jüdischen Häusern war sehr hoch, was zu weiteren Problemen führte. Nach dem Brand im Jahre 1590 verließen die Juden für zwei Jahre ihr Viertel in Posen. Nach ihrer Rückkehr errichteten sie aufs Neue die wichtigsten Elemente ihrer Infrastruktur, u. a. die mehrfach wieder aufgebaute und umgebaute Synagoge, die im 14. Jahrhundert errichtet wurde, die Konfessionsschulen auf der Ebene der Grund- und Mittelschule (Cheder und Jeschiwa), drei Gebäude des Krankenhauses sowie das Tauchbad. Die Entwicklung und die Beibehaltung der Ansiedlung der Juden wurde von den lokalen Gesetzen, die das Leben der Juden regelten, begünstigt. In den Jahren 1588-1668 waren von 31 erlassenen Gesetzen 23 für die jüdische Gemeinschaft vorteilhaft. Ferner garantierte die Haltung der Monarchen, die die Gerichtsbarkeit über Juden kontrollierten, ein gewisses Gefühl der Sicherheit. Im Jahre 1557 verurteilte König Sigismund II. August die Stadt zu einer Strafe von 100 Griwna für die Festsetzung von Juden. Im Jahre 1576 wurde in dem von Stephan Báthory erlassenen Privileg für die Posener Juden ihre gesetzliche Gleichstellung bestätigt: „Wenn ein Christ einen Juden schlägt, dann wird er genauso verurteilt, wie wenn er einen anderen Christen geschlagen hätte“[1.4].
Die Gesetzgebung der Monarchen war aber nicht immer von Vorteil für die Posener Juden. Dies resultierte aus der pragmatischen Haltung, die die Interessen all jener Juden, die der Staatskasse große Einnahmen einbrachten, sowie die Erwartungen der kleinbürgerlichen Christen und Geistlichen berücksichtigen musste. Nach dem Brand im Jahre 1536 wurde der Versuch unternommen, Juden aus der Stadt zu verbannen bzw. sie auf eine der Inseln auf der Warthe umzusiedeln. Letztendlich wurde nach Verhandlungen im Jahre 1538 ein Vertrag mit den städtischen Behörden unterzeichnet. Die Juden behielten ihr Recht bei, 28 Häuser im Stadtzentrum zu behalten. Im Jahre 1553 lebten in diesen Häusern 113 Familien. Drei Jahre später kam es zu einer weiteren Übereinkunft, laut der Juden 49 Häuser besitzen durften. Wiederum zwei Jahre später wurde diese Zahl auf 83 erhöht. Im Jahre 1578 zahlten die Posener Juden 1058 Zloty Kopfsteuer. Mehr zahlten im Königreich nur die Juden aus Kazimierz bei Krakau (1500 Zloty) und aus Lemberg (1600 Zloty)[1.5].
Während der polnisch-schwedischen Kriege (1655-1660) wurde die Gemeinde durch Hunger und Epidemien dezimiert. Zu den Verlusten kamen noch Pogrome hinzu, nachdem Juden und Protestanten beschuldigt wurden, mit den schwedischen Truppen zu kollaborieren. Viele von ihnen verließen aus Angst um ihr Leben die Stadt. Nach der Ausreise des Rabbiners S. Horowitz im Jahre 1658 blieb sein Amt über 10 Jahre unbesetzt. Die Kehillah stürzte immer tiefer in eine Krise und finanzielles Chaos. Schwierigkeiten bereiteten zahlreiche Steuern, mit denen die Gemeinde belegt wurde, sowie die Einschränkungen im Handel. Die Gemeinde machte immer mehr Schulden, die sich aber nicht imstande war, abzuzahlen. In dieser Situation lehnte im Jahre 1668 Jonasz, der Sohn von Izajasz Termina aus Metz, das Amt des Rabbiners ab. Die Ältesten der Posener Gemeinde wandten sich mit einem Hilfegesuch an befreundete deutsche und tschechische Gemeinden. Das Pogrom von 1687 verschlimmerte die Lage noch mehr. Der Untergang der Gemeinde wird u. a. dadurch sichtbar, dass der Unterricht in den jüdischen Schulen eingestellt wurde. Auch über die folgenden Jahrzehnte musste sich die Gemeinde mit Problemen herumschlagen. In den Jahren 1704-1714 verfügte die Gemeinde erneute über keinen Rabbiner. In diesem Zeitraum (1709) dezimierte eine Epidemie die Bevölkerung der Stadt, darunter auch das jüdische Viertel. Im Jahre 1736 hingegen wurden der Rabbiner, der Darshan sowie acht weitere Anführer der Kehillah eines rituellen Mordes beschuldigt. Das Gericht erklärte zwar alle für nicht schuldig, doch während des Prozesses kam der Rabbiner Jakub Mordechaj um. Im gleichen Jahr zerstörte Hochwasser die Synagoge sowie viele weitere Häuser im jüdischen Viertel. Weitere Verfolgungen, Kontributionen, Überfälle und Verluste nach Bränden (bspw. wurden 1764 innerhalb von sechs Stunden 76 jüdische Häuser und drei Synagogen zerstört, viele Menschen kamen dabei ums Leben) und Hochwasser bewirkten, dass über 40 Jahre (ab 1774) das Amt des Rabbiners nicht besetzt war. Der Untergang der Kehillah wurde auch vom Ende der Blütezeit der Stadt begleitet.
Während des Pascha-Festes 1803 zerstörte ein weiterer Brand fast das ganze Viertel. Insgesamt 600 Familien verloren ihr Hab und Gut. Die alte Synagoge wurde nach dem Brand nicht wiederaufgebaut. Die preußischen Behörden erkannten, dass der Wiederaufbau des Viertels im unveränderten Zustand keine Vergrößerung der Sicherheit nach sich ziehen würde. So wurde den Mitgliedern der Gemeinde erlaubt, Häuser in allen Teilen der Stadt zu erwerben und zu bauen, wenngleich ihre Zahl die Einschränkungen, die zuvor für ihr eigenes Viertel vorgesehen waren, nicht überschreiten durfte. Trotz alledem blieb das jüdische Viertel mit einer veränderten Struktur erhalten. Die Juden ließen sich am häufigsten am Alten Markt nieder, wo sie mit der Zeit zahlenmäßig überlegen waren. Nachdem Posen 1793 an Preußen angeschlossen wurde, schränkten die Behörden die Autonomie der Gemeinde ein. Die Ideologie der Haskala wurde seitens der Behörden stärker in den Vordergrund gerückt. Dies hatte zur Folge, dass die wohlhabenden Mitglieder der Gemeinde sowie all jene, die eine staatliche Bildung genossen, schrittweise der Germanisierung unterzogen wurden. Am Anfang des 19. Jahrhunderts stellten diese Gruppen ca. 15% der ganzen Gemeinde dar. Sie wurden als sog. naturalisierte Juden bezeichnet.
Die Germanisierung wurde auch in den folgenden Jahrzehnten mit Erfolg fortgesetzt. Im Jahre 1853 waren erstmalig naturalisierte Juden im Stadtrat vertreten, wobei sie den polnischen Abgeordneten zahlenmäßig überlegen waren. So verschlechterten sich auch die bereits zuvor angespannten Beziehungen zur polnischen Bevölkerung. Für die Polen, die um ihre verlorene Unabhängigkeit kämpften, waren die germanisierten Juden, die ihre propreußische Loyalität zur Schau stellten und treu ergeben waren, eine Gruppe, die oftmals sogar mehr verachtet wurde, als die germanisierenden Deutschen. Diese Einstellung bekamen die Posener Juden nach dem Ersten Weltkrieg auf schmerzhafte Weise zu spüren.
Die orthodoxen Ansichten der Posener Rabbiner (Akiba Eger, Salomon Eger, Salomon Plessner) wurden zunehmend von den Liberalen und Reformatoren kritisiert und mit Unzufriedenheit aufgenommen. Ihr Wirken führte zum Bruch in der Einheit der Posener Kehillah. Sie gründeten eine gesonderte Gemeinde unter dem Namen „Izraelit Brüdergemeinde“, für die in den Jahren 1856-1857 eine Synagoge im mauretanischen Stil erbaut wurde. Im Jahre 1862 hingegen ernannten sie Joseph Pereles zu ihrem eigenen Rabbiner. Die Anhänger des orthodoxen Flügels blieben beim Rabbiner Plessner, der das Amt des Oberrabbiners Posens und Großpolens inne hatte. Sie bildeten die sog. Einheitsgemeinde.
Die Gesetzgebung hatte entscheidenden Einfluss auf die Veränderungen in den sozialen und beruflichen Strukturen. Es stieg die Zahl der Personen, die im Handel beschäftigt waren, zeitgleich sank die Zahl der Handwerker. Im Jahre 1832 stellten Juden 55,2% aller im Handel angestellten Berufstätigen in der Stadt dar. Im Falle der besteuerten Handwerker waren es 9,4% und 21% der Handwerker, die von der Steuer befreit waren. In die Geschichte Posens gingen folgende Familien von Kaufleuten und Bankiers ein: Kantorowicz, Asch, Levinsohn, Peiper, Ephreim, Awerbach, Munk. 1849 waren bereits 11% der Juden (655 Personen) im Handel eingestellt. Elf Jahre zuvor gründete Michael Kantorowicz die zweitgrößte Bank in Posen mit einem Startkapital von ca. 60 000 Talern. Viele Kaufleute bereicherten sich auf der seit 1837 veranstalteten Messe für Wolle. Bis zum Ende der 1870er Jahre war besonders der Getreidehandel ein ertragreiches Geschäft. Obwohl die Branche schrittweise an Bedeutung verlor handelten 1879 immer noch 46 Kaufleute mit Getreide. Darunter waren nur einige keine Juden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen die Juden ihr Kapital in Branchen zu investieren, die mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Spirituosen zusammenhingen. Auf diesem Gebiet spezialisierten sich die drei Firmen von Hartwig Kantorowicz (gegründet 1889), David Kantorowicz und Isidor Kantorowicz. Ende des 19. Jahrhunderts kam das Ende des ertragreichen Handels mit Holz, welches vor allem aus Kongresspolen importiert wurde. In dieser Branche waren ausschließlich Juden tätig. Auf diesem Gebiet wuchs das Vermögen der für Posen verdienten Familie Jaffré heran. Die Krise vom Ende des 19. Jahrhunderts betraf auch die Kaufleute, die mit Zucker handelten. Die hohen Erträge der jüdischen Kaufleute ermöglichten es ihnen, bspw. ihr Geld in Immobilien anzulegen. So gehörte 1860 die Mehrheit der Gebäude am Alten Markt Juden, darunter vier der Familie Kantorowicz, vier der Familie Königsberg, drei der Familie Goldberg sowie zwei der Familie Ephreim.
Ende des 19. Jahrhunderts wanderten viele wohlhabende jüdische Familien aus der Handels- und Industriebranche in andere deutsche Städte aus. Trotzdem hatten Juden weiterhin großen Einfluss auf die Wirtschaft der Stadt. Im Jahre 1884 waren Juden Inhaber von 490 (64,5%) Handelsunternehmen, Gesellschaften und Genossenschaften in Posen. Dreizehn Jahre später fiel diese Zahl auf 63,3% (483). Vor allem die Familie Kantorowicz war allgegenwärtig. Im Jahre 1889 waren ihre Mitglieder Inhaber von fünf Fabriken, sechs großen Geschäften und Lagern sowie eines Hotels. Viele Vertreter der Gemeinde beschäftigten sich weiterhin mit dem Großvertrieb von Holz, landwirtschaftlichen Produkten, Spiritus, Tüchern und Wolle. Juden (die Firmen Michaelis i Kartowicz, M. Zadek, Rudolf Petersorff, Samuel Samter und David Schrek) gehörten zu den ersten Gründern der damaligen großflächigen Kaufhäuser in Posen. Eine stetig wachsende Gruppe stellten die Vertreter freier Berufe dar: Ärzte, Lehrer, Anwälte. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs saßen im Stadtrat von Posen 33 Deutsche, 7 Polen und 16 Deutsche jüdischen Glaubens[1.6].
Letztendlich assimilierte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die jüdische Bevölkerung nahezu vollständig mit der deutschen Gesellschaft in Posen. Die von den Behörden tolerierte Mehrsprachigkeit in jüdischen Schulen, in denen in Jiddisch, Deutsch und Polnisch unterrichtet wurde, wurde schnell abgeschafft zugunsten der Förderung der deutschen Kultur, die der preußische Staat propagierte. Daher wurde die von den Behörden des Warschauer Herzogtums 1811 in Posen gegründete jüdisch-christliche „Simultanschule“, die von Kindern aus evangelischen, katholischen und jüdischen Häusern besucht wurde, im Jahre 1818 geschlossen. Es war die einzige Schule ihrer Art in Großpolen. Mit der Zeit wurde die Gleichberechtigung der polnischen und deutschen Sprache im jüdischen Schulwesen zugunsten der letzteren aufgehoben[1.7].
Über die eindeutige prodeutsche Einstellung der Posener Juden zeugt u. a. ihre Haltung nach der Eingliederung Posens mitsamt Großpolen und den Pommerellen nach dem Ersten Weltkrieg in das wiedergeborene Polen. Im November 1918 gründeten sie den Jüdischen Volksrat Posen. Zur Mitgliedschaft im Rat animierte der Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Mit dem Jüdischen Volksrat arbeitete in Posen der Jüdische Kleinbürgerverein, ab 1920 die Jüdische Volksvereinigung, eng zusammen. Im Jahre 1921 entstand aus der Jüdischen Volksvereinigung der Verband der Juden Großpolens[1.8]. Die Mitglieder dieser Organisationen unterstützten einzig die hiesigen Deutschen bei ihren Bemühungen, Posen innerhalb der Deutschen Grenzen zu belassen. Nach ihrem Verständnis war der junge polnische Staat ein temporäres Gebilde, welches keine Chancen hatte, dauerhaft auf der politischen Karte Europas einen Platz einzunehmen. In dieser Situation wundert es nicht, dass 1047 Posener Juden für die Weimarer Republik stimmten. Ferner verließen viele jüdische Familien die Stadt. Ihren Platz nahmen schrittweise Juden aus Polen ein, bspw. im Jahre 1926 siedelten sich 325 polnische Juden an, während 144 Posener Juden die Stadt verließen. Im Jahre 1931 stellten die deutschen Juden in Posen nur noch 15% der jüdischen Bevölkerung in Posen dar. Die jüdische Gemeinde in Posen begann sich schrittweise zu vergrößern. Im Jahre 1930 zählte sie 1650 Personen, 1933 - ca. 2300, 1937 - ca. 2700, 1938 - ca. 2800 und schließlich 1939 - ca. 3000 Personen. Im Jahre 1932 wurden der Gemeinde in Posen die jüdischen Gemeinschaften aus dem Landkreis Posen, Swarzędz, Pobiedziska und Stęszewo, unterstellt.
An der Spitze der Gemeinde stand ab 1922 der Rechtsanwalt Marcin Cohn, der zugleich zionistische Ansichten vertrat. Das Vermögen der Gemeinde setzte sich in den Zwischenkriegsjahren zusammen aus: einer Synagoge in der ul. Stawna 1-4 (ihr Wert ohne Ausstattung belief sich auf 400 000 Zloty), zwei Synagogen in der ul. Dominikańska 8 und in der ul. Szewska 4-5 (230 000 Zloty), vier Wohnhäusern und einem Verwaltungsgebäude in der ul. Szewska 10 (dort befanden sich die Büros der Gemeinde, die Wohnung des Rabbiners, die Konfessionsschule, ein Saal sowie eine Bibliothek), einem Friedhof in der ul. Focha 24-26 (heute ul. Głogowska), dem Gebäude des Jüdischen R. Flatau-Waisenhauses in der ul. Noskowskiego 3, dem Gebäude des jüdischen Krankenhauses der Rohr-Stiftung in Posen (480 000 Zloty) in der ul. Wały Wazów 4-5 (heute Wieniawskiego) sowie einigen unbebauten Immobilien. Die Migrationswellen hatten Einfluss auf die Struktur der gesellschaftlichen Klassen und Schichten sowie die Beschäftigung der jüdischen Bevölkerung. Das wohlhabende Kleinbürgertum sowie die intellektuellen Eliten verzeichneten einen rapiden Rückgang. Dafür vergrößerten sich die unteren und mittleren Schichten des Kleinbürgertums. Ende 1933 waren Juden Inhaber von 32 Geschäften mit Damen- und 30 mit Herrenkonfektion, 24 mit Hüten und Mützen, 18 mit sog. Kurzwaren, 17 mit Schuhen, 15 mit Seide, 10 mit Unterwäsche, 10 mit Milchprodukten, 8 mit Kolonialwaren, 7 mit Lederprodukten, 4 mit Eisenprodukten, 4 mit Teppichen, 4 mit Pelzen, 3 mit Uhren, 3 mit Sperrholz, 2 mit Autoteilen und 2 mit Korken. Darüber hinaus waren Juden Inhaber von zwei Kaufhäusern, vier Restaurants, drei Zuckerfabriken, vier Weinkellern, 14 Getreideagenturen, neun Geschäften mit Daunen und Federn, zwei Baumateriallagern und drei Handelsunternehmen (rohes Tierleder). Zudem waren ca. 100 Vertreter, 30 Schneider, 20 Schuster, 15 Bankiers, 12 Marktfrauen, 12 Bäcker, 12 Schaftmacher, 7 Kellner, 7 Fotografen, 5 Pferdehändler, 5 Schlachtermeister, 5 Friseure, 5 Gepäckträger, 5 Portiere, 4 Hausierer, 3 Maler, 3 Tischler, 4 Zahnärzte und Ärzte, 2 Rechtsanwälte, 3 Redakteure und 2 Agenturleiter. Die „jüdischen“ Banken finanzierten viele der jüdischen Firmen: Bank Udziałowy (ul. Szewska), Bank Komercyjny (ul. 27 Grudnia). Im März 1939 waren 285 jüdische Handels- und Industrieunternehmen sowie 103 Werkstätten registriert.
In Posen erschienen auch jüdische Zeitschriften. In den Jahren 1918-1921 gab die Jüdische Volksvereinigung das „Mitteilungs-Blatt des Jüdischen Volksrates Posen“ heraus. Im Jahre 1935 wurde auch die in Kalisz gedruckte „Pojzner Sztyme“ vertrieben. Es gab zudem auch die Zweigniederlassungen der wichtigsten politischen Gruppierungen. Die aktivsten unter ihnen waren die zionistischen Gruppen: die Allgemeinen Zionisten, Zionisten-Revisionisten, Poale Zion (ab 1933). Weitaus weniger Einfluss hatten die Sozialisten vom Bund und orthodoxe Milieus. Bis 1938 gab es in der Stadt auch die Freimaurerlogen „Amicitia“ und „Kosmos Loge“.
In den 1920er und 1930er Jahren wurde auch das jüdische Schulwesen in Polen wiedergeboren. Im Schuljahr 1919/1920 wurde in einem privaten Haus eine jüdische Schule eröffnet. Sie wurde anfangs von 71 Schülern besucht. Ein Jahr darauf waren es bereits 106, 1924 hingegen 58 Schüler. Mit der Zeit besuchte eine immer größere Gruppe deutsche bzw. staatliche Schulen. Im Jahre 1936 besuchten 27 997 Schüler die 46 staatlichen Schulen, davon 278 jüdischen Glaubens. Die meisten lernten in der 1934 eröffneten Allgemeinbildenden Schule Nr. XIV in der ul. Noskowskiego 3. Im Jahre 1937 wurde sie von 252 jüdischen Kindern besucht. In private Schulen gingen zeitgleich 13 Schüler. Es gab zudem eine Cheder-Schule, die Jüdische Konfessionsschule. Im Jahre 1937 unterrichteten dort sechs Lehrer. Bis 1936 war auch ein jüdischer Kindergarten in Betrieb. Die jüdischen Jugendlichen setzten ihre Bildung aber oftmals in polnischen Mittelschulen fort. 1937 waren es insgesamt 52 Jugendliche. Ein Teil der jungen Menschen ging in das private, „deutsche“ Schillergymnasium. Im selben Jahr waren es 13 Schüler. Andere gingen auf eine Berufsschule (49 Personen). Relativ wenige Juden, im Vergleich zu den Hochschulen in Süd- und Zentralpolen, nahmen ein Studium in Posen auf. Im Jahre 1937 waren von den 295 Studenten der Hochschule für Maschinenbau und Elektrotechnik nur sieben Juden. Genau so viele studierten an der staatlichen Musikhochschule (von 345 Studenten). Etwas mehr war es im Falle der Universität Posen, vor allem an der medizinischen und naturwissenschaftlichen Fakultät. Im Dezember 1933 waren es 73 jüdische Studenten von 5353 Personen. Im Jahre 1937 waren es aber nur noch 37[1.9].
Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs flüchteten viele Juden aus Posen. Das Schicksal all jener, die in der Stadt blieben, wurde mit dem Beschluss des Gauleiters Wilhelm Koppe vom November 1939 über die „Säuberung“ der Stadt von Juden innerhalb von drei Monaten besiegelt. Die meisten Juden wurden am 11. und 12. Dezember 1939 nach Ostrów Lubelski transportiert. Aus dieser Gruppe wurde ein Teil wiederum nach Włoszczowa gebracht. Andere hingegen fanden sich in Grodzisk Mazowiecki, Żyrardów und Błonie wieder[1.10]. Kurze Zeit später war Posen ein einziges riesiges Arbeitslager für Juden aus den polnischen Gebieten, die an das Reich angeschlossen wurden (Großpolen, Pommern, das westliche Masowien). In Posen und Umgebung wurden in den Jahren 1940-1943 einige Dutzend Arbeitslager für die jüdische Bevölkerung errichtet. Die Häftlinge verrichteten unterschiedliche Arbeiten, meistens beim Bau von Straßen, Eisenbahnlinien oder Autobahnen.
Nach dem Krieg kamen nur wenige Juden zurück nach Posen. Die wenigen Rückkehrer gehörten alle dem Zentralkomitee der Polnischen Juden an. Der Großteil verließ die Stadt und Polen in den folgenden Jahren und Jahrzehnten. Die Wiedergeburt der lokalen jüdischen Gemeinschaft erfolgte erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts.
- [1.1] Horn M., Najstarszy rejestr osiedli żydowskich w Polsce z 1507 r., „Biuletyn Żydowskiego Instytutu Historycznego w Polsce” 1974, Nr. 3, S. 11–15; Guldon Z., Skupiska żydowskie w miastach polskich w XV–XVI wieku, [in:] Żydzi i judaizm we współczesnych badaniach polskich, Bd. 2, Kraków 2000, S. 13–26.
- [1.2] Tollet D., Ludność żydowska i prawa gmin, [in:] Żydzi w Wielkopolsce na przestrzeni dziejów, Poznań 1995, S. 11.
- [1.3] Horn M., Najstarszy rejestr osiedli żydowskich w Polsce z 43 r., „Biuletyn Żydowskiego Instytutu Historycznego w Polsce” 1974, Nr. 3, S. 11–15; Guldon Z., Skupiska żydowskie w miastach polskich w XV–XVI wieku, [in:] Żydzi i judaizm we współczesnych badaniach polskich, Bd. 2, Kraków 2000, S. 13–26.
- [1.4] Weiter: Tollet D., Ludność żydowska i prawa gmin, [in:] Żydzi w Wielkopolsce na przestrzeni dziejów, Poznań 1995, S. 9–17.
- [1.5] Guldon Z., Wijaczka J., Ludność żydowska w Wielkopolsce w drugiej połowie XVII wieku, [in:] Żydzi w Wielkopolsce na przestrzeni dziejów, Poznań 1995, S. 19.
- [1.6] Dochnalowa T., Kupcy żydowscy w Poznaniu w okresie zaboru pruskiego, [in:] Żydzi w Wielkopolsce na przestrzeni dziejów, Poznań 1995, Tab. 1, S. 172–173, 176–188.
- [1.7] Mehr über die Geschichte der Posener Juden in Preußen: Heppner A., Herzberg I., Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden in den Posener Landen, Koschmin–Bromberg 1904–1908; Kemlein S., Żydzi w Wielkim Księstwie Poznańskim 1815–1848. Przeobrażenie w łonie żydostwa polskiego pod panowaniem pruskim, Poznań 2001, passim.
- [1.8] Weiter: Łuczak Cz., Żydowska Rada Ludowa w Poznaniu (1918–1921), [in:] Polska i Polacy. Studia z dziejów polskiej myśli i kultury politycznej XIX i XX wieku. Księga Pamiątkowa dedykowana Profesorowi Romanowi Wapińskiemu, Gdańsk 2001, S. 191–199.
- [1.9] Weiter: Dworecki Z., Ludność żydowska w Poznaniu w latach 1918–1939, [in:] Żydzi w Wielkopolsce na przestrzeni dziejów, Poznań 1995, S. 189–211; Kowalski I., Poznańska Gmina Żydowska w latach Drugiej Rzeczypospolitej, „Kronika Miasta Poznania” 1992, Nr. 1–2; Skupień A., Ludność żydowska w województwie poznańskim w latach 1918–1938, Poznań 2007, passim.
- [1.10] Dąbrowska D., Zagłada Żydów w „Kraju Warty” w okresie okupacji hitlerowskiej, „Biuletyn Żydowskiego Instytutu Historycznego” 1955, Nr. 13–14, Tabelle 16, S. 174.