Die älteste jüdische Diaspora entwickelte sich bereits am Anfang des 18. Jahrhunderts. 1717 werden in einem Bericht die jüdischen Handwerker erwähnt, zudem gab es einige jüdische Schankwirte. Die Juden waren einerseits wegen ihrer handwerklichen Fähigkeiten willkommen, andererseits um die leeren Städte zu besiedeln [1.1]. 1722 wurden 15 bzw. 14 [1.1.1] jüdische Familien erwähnt, die sich wahrscheinlich bestimmter Vorrechte erfreuten. Auch Händler aus dem Gebiet der Rzeczpospolita kamen hierher – 1732 verboten die damaligen Eylauer Beamten, von ihnen Wolle zu kaufen und bezeichneten die Händler als Schelme, die den Königsschatz und die Stadt um die Steuer betrügen. Im 18. Jahrhundert war Preußens Politik gegenüber den Juden sehr wechselhaft und 1763 gab es in Iława (Eylau) keine jüdischen Einwohner mehr. 1794 wird Kaspar Laser erwähnt, ein wohlhabender Händler und einziger "Schutzjude" Deutsch Eylaus. Die Anzahl der Juden blieb zu dieser Zeit gering, da jeder Jude, der sich länger als 24 Stunden in der Stadt aufhielt, laut General Reglement von 1750 und 1793 die Ursache des Aufenthalts angeben und über sein Gewerbe Auskunft geben musste [1.1.1]. Im gleichen Jahr wurde nur die Familie des Rabbiners Jakub Abrahams erwähnt. Dies kann darauf hindeuten, dass die jüdische Gemeinde begonnen hatte, sich erneut zu entwickeln, lange bevor das Emanzipationsedikt von 1812 erlassen wurde. Die Rabbiners Witwe heiratete 1801 Kasper Laser, der auch Rabbiner war. Als Ankömmling musste er eine entsprechende Summe in die Stadtkasse einzahlen und jedem der zehn Eylauer Tuchmacher 33 Pfund (etwa 15 kg) Wolle borgen. Zudem zogen der Tuchmacheer Simon Marcus und der Totengräber Meyer Joachim sowie Daniel Abraham um 1805 in die Stadt [1.2]. Abraham zahlte 103 Taler und 3 Groschen in die Stadtkasse ein. Im Haus des Rabbiners Lasers wurde eine jüdische Schule eingerichtet, in der auch gebetet wurde. [1.3].

Der nächste Abschnitt in der Geschichte der jüdischen Gemeinde begann, als das Emanzipationsedikt vom 11. März 1812 in Kraft getreten ist.[1.4] Im Zuge dessen erhielten die Juden die preußische Staatsbürgerschaft [1.1.2]. Danach zogen nach Iława (Eylau) acht Juden, die über Stadtbürgerrechte verfügten[1.5]. Ab 1840 gab es eine jüdische Schule und eine Synagoge, bereits seit 1828 einen jüdischen Friedhof [1.6]. Die Gemeinde entwickelte sich schnell, wobei zwei Perioden besonders günstig waren, was die zahlenmäßige Entwicklung anbelangt – in den 40-er und 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts, als in Iława (Eylau) mehr als 180 bzw ca. 160 [1.7] Juden wohnten, was mehr als entsprechend 8% und 7% der Stadteinwohnerzahl darstellte[1.8]. Den Höchststand erreichte die jüdische Gemeinde im Jahr 1871 mit 198 Personen [1.1.6].

Anfangs des 20. Jahrhunderts hatte die jüdische Gemeinde mit einigen finanziellen Problemen zu kämpfen [1.1.6]. Die Juden aus Iława (Eylau) beschäftigten sich traditionell mit dem Handel. Vor dem 1. Weltkrieg funktionierten am Stadtmarkt die Geschäfte von J. Fürst[1.9], Gerson Fürst[1.10] und H. Loewenstein bzw. Loewenthal[1.11].

Die jüdischen Einwohner von Iława (Eylau) germanisierten sich schnell[1.12] und waren loyale Mitglieder der preußischen und später der deutschen Bevölkerung, obwohl sie eine Gemeinschaft formten, die sich aus der Perspektive der Religion auszeichnete und größere sozial-kulturelle Ambitionen hegte – 1927 wurde in Iława (Eylau) der jüdische Literaturverein gegründet[1.13]. Während des 1. Weltkrieges sind in der Kaiserarmee drei Juden gefallen, die in Iława (Eylau) geboren wurden[1.14]. Mit der Zeit wurden immer mehr gemischte Ehen geschlossen. 1907 heiratete der Protestant Heronimus Henrietta Mendelssohn, 1916 heiratete der Kalvinist Paul Bruno Richard le Brutze Anna Jacobsohn und 1920 heiratete Ludwig Ascher aus Berlin die Protestantin Olga Emma Klein[1.15].

Etwa einhundert Juden lebten um 1930 in Iława, verließen die Stadt aber in den folgenden Jahren zum Großteil, was zur Folge hatte, dass die Synagoge an eine Brauerei [1.16] verkauft wurde [1.1.7]: Nach der Machtübernahme der Nazis verstärkten sich die antisemitischen Stimmungen unter der Bevölkerung. Betroffen davon wurden sowohl Juden, als auch Personen aus gemischten Ehen (1939 lebten sechs solche Personen in Iława (Eylau)). Die verfolgten Personen entschieden sich, vor allem nach Berlin auszuziehen, sie emigrierten auch, u. a. in die USA und nach Frankreich (Kurt Rosenthal). Die Kulmination der Verfolgungen war die Reichspogromnacht, als die Synagoge verbrannt wurde. Um das Ende des Jahres 1939 lebten in Iława (Eylau) keine Juden mehr[1.17].

Unter den Holocaustopfern und der im 2. Weltkrieg gefallenen Personen sind die Namen von 38 Personen zu finden, die in Iława (Eylau) geboren wurden. Sie wurden in die Ghettos von Theresienstadt, Riga, Minsk, Piaski und Litzmannstadt (Łódź) deportiert. Sie starben in den oben genannten Ghettos sowie in den Lagern in Auschwitz und Treblinka[1.18].

 

Etat

Jahr Etat Steuersatz Steuereinnahmen
1902 2.000 Mark    
1905 2.400 Mark 105 % der Einkommenssteuer 2.100 Mark
1906 2.400 Mark 105 % der Einkommenssteuer 2.400 Mark
1909   120 % der Staatssteuer  
1910 3.000 Mark 80 % 3.000 Mark
1912 2.650 Mark (25 Steuerzahler) 150 % 1.700 Mark
1924 2.500 Mark (26 Steuerzahler) 15 - 20 % der Einkommenssteuer  
1926 5.362 Mark    
1931/32   40 % der Reichseinkommenssteuer  

Quelle: Salinger, Gerhard: Deutsch Eylau, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 3, New York 2009, S. 571-572.

Print
Fußnoten
  • [1.1] Salinger, Gerhard: Deutsch Eylau, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 3, New York 2009, S. 569.
  • [1.1.1] [a] [b] Salinger, Gerhard: Deutsch Eylau, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 3, New York 2009, S. 569.
  • [1.2] Salinger, Gerhard: Deutsch Eylau, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 3, New York 2009, S. 570.
  • [1.3] Szczepański, S.: Mieszkańcy Iławy na tle dziejów miasta (do 1945 r.) [in:] Achremczyk, S.: Iława 1305-2005. Siedemset lat dziejów, Olsztyn (Allenstein), 2006, S. 63-64.
  • [1.4] Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz in Berlin, Ministerium des Innern, Das Etablissement der Juden in der Stadt Deutsch-Eylau auf Grund des Edikts vom 11. März 1812, 1814, sygn. Rep. 77 (M) Abt. I Sekt. 34 Tit. 1021 Nr. 1.
  • [1.1.2] Salinger, Gerhard: Deutsch Eylau, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 3, New York 2009, S. 570.
  • [1.5] General-Verzeichniss sämmtlicher in dem Departament der Königl. Regierung von Westpreussen vorhandenen Juden welchen das Staatsbürger-Recht ertheilet worden, Marienwerder [1812?], S. 19, 38, 49, 54, 60, 63, 70, http://kpbc.umk.pl/dlibra/doccontent?id=26796&dirids=1(Stand:4.11.2010).
  • [1.6] Salinger, Gerhard: Deutsch Eylau, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 3, New York 2009, S. 571.
  • [1.7] Alicke, Klaus-Dieter: Deutsch Eylau, [in:] Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Bd. 3, Gütersloh 2008, S.3245.
  • [1.8] Piątkowski, A.: Iława w czasach nowożytnych (wybrane zagadnienia) [in:]Iława, Olsztyn (Allenstein), 1999, Tab. 8).
  • [1.1.6] [a] [b] Salinger, Gerhard: Deutsch Eylau, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 3, New York 2009, S. 571.
  • [1.9] Groszkowski, R.; Baruchowski, S.: Iława na dawnej pocztówce, Iława (Eylau), 2000, Abb. 38, 43-45, 47
  • [1.10] Groszkowski, R.; Baruchowski, S.: Iława na dawnej pocztówce, Iława (Eylau), 2000, Abb. 37, 39-40,42
  • [1.11] Groszkowski, R.; Baruchowski, S.: Iława, Abb. 37.
  • [1.12] Piątkowski, A.: Iława w czasach nowożytnych, S. 102-103, Tab. 11
  • [1.13] Szczepański, S.: Mieszkańcy Iławy, S. 64.
  • [1.14] Löwenstein, L.: Die jüdischen Gefallenen des Deutschen Heeres, der Deutschen Marine und der Deutschen Schutztruppen 1914-1918. Ein Gedenkbuch, Berlin, 1932, http://www.denkmalprojekt.org/Verlustlisten/rjf_wk1.htm (Stand: 20.11.2010).
  • [1.15] Szczepański, S.: Mieszkańcy Iławy, S. 64
  • [1.16] Salinger, Gerhard: Deutsch Eylau, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 3, New York 2009, S. 573.
  • [1.1.7] Alicke, Klaus-Dieter: Deutsch Eylau, [in:] Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Bd. 3, Gütersloh 2008, S.3245.
  • [1.17] Szczepański, S.: Mieszkańcy Iławy, S. 64.
  • [1.18] Gedenkbuch. Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933–1945, http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html#frmResults [Stand: 20.11.2010], Suchergebnisse für: Deutsch Eylau; The Central Database of Shoah Victims' Names, http://www.yadvashem.org/wps/portal/IY_HON_Entrance [Stand: 20.11.2010], Suchergebnisse für: Deutsch Eylau.