Elbląg (Elbing) war eines der ältesten jüdischen Zentren Ostpreußens. Während des 18. Jahrhunderts war es den Juden untersagt, direkt in der Stadt Elbing zu wohnen. Dennoch nahmen Adelige Juden auf ihren Gütern auf. Laut einem Edikt von 1731 war es den Juden der Grenzstädte verboten Waren aus Elbing einzuführen - dadurch sollte der Handel auf inländische Produkte eingeschränkt und die ausländische Konkurrenz ausgeschaltet werden [1.1].


Spätestens ab 1758 besuchten Juden aber zumindest Elbings Jahrmärkte. Verschiedenste Gesuche von Juden, sich in Elbing niederzulassen bzw dort Handel zu treiben wurden abgelehnt [1.1.1]. Die ersten Juden siedelten sich trotz Proteste der Stadt im Jahr 1783 in Elbing an. Es ist bekannt, dass im Jahr 1812 in Elbląg (Elbing) 33 jüdische Familien lebten, 1880 wohnten in der Stadt 549 Juden. In den Anfangsjahren der jüdischen Gemeinde gab es noch keine Synagoge, gebetet sowie unterrichtet wurde in den Häusern Privatpersonen. Auch weigerte sich die Stadt Elbing anfangs, der jüdischen Gemeinde ein Gründstück als Friedhof zur Verfügung zu stellen, also beerdigte man die Verstorbenen am alten jüdischen Friedhof Powunden (ca 11 km von Elbing) [1.2]. Im Jahr 1812 wurde der jüdische Friedhof in der Lange Niederstraße etwas außerhalb des Stadtzentrums angelegt und 1824 wurde die Synagoge in der Sturmstraße fertiggestellt und die Mikwah eingeweiht. Zudem wollte Isaak Gotthilf im Jahr 1825 auch in seinem Privathaus Gottedienste abhalten - was ihm aber in Folge von Protesten verboten wurde [1.3]. Die Elbinger Juden brachten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Antrag ein, der die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden forderte [1.4]. Im Jahr 1844 wurde ein Ratsherr jüdischer Abstammung zum Stadtrat gewählt. Es ist wissenswert, dass einer der größten Konzerne Ostdeutschlands, die Zigarrenfabrik Loeser & Wolff, 1874 durch einen elbinger Juden gegründet wurde. Im Jahr 1926 beschäftigte die Firma sogar 4.000 Arbeiter.


Am 9. April 1849 wurde ein 26 Paragraphen umfassendes Gemeindestatut genemigt. Dieses enthält unter anderem Abgabenbestimmungen und eine Einstufung in 4 Klassen. Die Abgaben der ersten Klasse betrugen 40 bis 70 Reichstaler, die der zweiten 20 bis 30, die der dritten zwischen 10 und 9 und die vierte Klasse zwischen 3 bis 9 Reichstaler. Dieses Klassensystem wurde auch bei Hochzeiten, Beerdigungen, Beschneidungen, Namensgebung eines Mädchens und Einsegnungen (Bar- und Bat Mitwot) angewendet. Das Ziel war, das jeder seinen finanziellen Mitteln entsprächend zahlen sollte. Die Unterzeichner des Statuts waren J. Abrahamson, Meyer Belgard, A. Cohn, L. A. Fersenheim, H.D. Goldammer, A. Goldberg, J. Godschmidt, C. Godstein, S.J. Goldstein, S.J. Gotthilf, H.D. Hirsch, S.L. Lehmann, B.J. Lessing, S.J. Levy, E. Lewinsohn, Jacob Litten, J. Loewenhain, J. Loewenstein, S.L. Mendelsohn, M.E. Meyer, M. Oske, U.M. Rieß, Isidor Valentin, Jacob Weinberg, Salomon Weinberg und S.J. Weinberg [1.5].


1848 betrugen die Gemeindeeinnahmen 245 Rtlr., die Ausgaben 929 Rtlr. 1854 standen sich Einnahmen von 330 Rtlr und Ausgaben von 830 Rtlr. gegenüber. Die Differenz wurde durch Steuerreinnahmen ausgeglichen [1.1.5].


1867 entschied die jüdische Gemeinde, dass ihre Synagoge allmählich zu klein wurde und durch ein größeres Gebäude ersetzt werden muss. Die Bauarbeiten der neuen Synagoge konnten bereits 1868 beendet werden. 1875 stellte die Gemeinde ihren ersten Rabbiner ein, den in Leipnik geborenen Dr. Emanuel Schreiber [1.6].


1872 wurde auf Wunsch der Gemeindemitglieder zum ersten Mal seit 10 Jahren eine Generalversammlung einberufen. Dabei wurde hauptsächlich über die zu hohen Fleischpreise und den schlechten Religionsunterricht der Kinder geklagt. Die Geldmittel der Gemeinde beliefen sich in diesem Jahr auf 1.267 Mark [1.1.6].


Bestimmt nicht allen Juden aus Elbląg (Elbing) erging es gut. An der Wende des 19. Jahrhunderts verursachten schwierige ökonomische Gegebenheiten, dass  mehrere von ihnen auf der Suche nach Arbeit und bessere Aussichten das Land verließen. Ihre Abwanderung wurde jedoch durch die Zuwanderung von der Bevölkerung kleinerer Orte ersetzt. Im Jahr 1905 lebten in Elbląg (Elbing) 445 Personen jüdischer Herkunft. Als Polen 1920 unabhängig wurde, zogen unter anderem auch Juden nach Elbing, wenn auch teilweise nur vorübergehend. Das führte dazu, dass nach 1920 etwa 500 Juden in der Stadt lebten [1.7].


1932 wurde das Frauenwahlrechte eingeführt, was dazu führte, das ab der Neuwahl 1933 auch Frauen als Repräsentanten tätig waren [1.8].


Im Moment der Machtübernahme durch die Nazis zählte die jüdische Gemeinschaft 367 Personen. Besonders das "Elbinger Tageblatt" und ab 1933 die "Westpreußische Zeitung" verbreiteten die Nationalsozialistische Propaganda. Zudem gab es ab 1933 keine Oppositionspresse mehr, der sozialdemokratische Redaktuer Paul Schulz wurde von NS-Anhänger verprügelt und schwer mißhandelt. Die Zeitungen präsentierten die NS-Bewegung und Ideologie im besten Licht. Die Repressionen führten zum schnellen, allmählichen Rückgang der Anzahl der einheimischen Juden: im Jahr 1936 auf 207 Personen und im Mai 1939 auf 53 Personen (der Großteil von ihnen zog bald nach Berlin - mindestens 11 Juden wurden von Berlin aus deportiert); diese verbliebenen Juden wurden bei einer Volkszählung im Mai den Rassegesetzten entsprechend anhand ihrer Abstammung in Klassen eingeteilt. Laut Rabbi Neufeld wurde die Synagoge Elbing am 10. November 1938 zuerst geplündert und dann in Anwesenheit des Bürgermeisters, der Gestapo und der Feuerwehr von der SS in Brand gesetzt. Anschließend wurden die Jüdischen Geschäfte und Wohnungen zerstört und ausgeraubt, beinahe jeder männliche Jude wurde verhaftet [1.9]. Angeblich noch im Oktober 1942 – dank der Mischehen – befanden sich im Gebiet der Stadt sieben Personen jüdischer Herkunft.


 


Jahr

Etat

Steuersatz

Steuereinnahmen

1879

-

2% des effektiven Einkommens

-

1899

11.137 Mark

2,5 % des effektiven Einkommens

-

1902

12.828 Mark

2,5 %

9.748 Mark

1904

13.280 Mark

2,5 %

10.200 Mark

1906/07

12.731 Mark

2 %

9.550 Mark

1910

14.490 Mark

2 %

11.110 Mark

1912/13

16.500 Mark


Einkommen <= 2.400 Steuersatz 1%

Einkommen > 2.400 Steuersatz 2 %


12.000 Mark

1920

15.000 Mark

20 % Einkommenssteuer

11.300 Mark

1930

31.658 Mark

21 % Reichseinkommenssteuer

-

1931

31.394 Mark

21 % Reichseinkommenssteuer

-


Quelle:Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 93 - 102.


 


Etats-Angaben*

Jahr

Betrag

1863

1.211,22 Reichstaler

1867

1.520,00 Rthlr.

1868

2.016,00 Rthlr.

1869

1.895,00 Rthlr.

1870

1.980,00 Rthlr.

1871

1.877,00 Rthlr.

1872

1.877,00 Rthlr.

1873

2.500,00 Rthlr.

1874

2.522,00 Rthlr.

1875

2.342,15 Rthlr.

1881

9.302,60 Mark

1883

10.352,70 Mark

1887/88

10.176,10 Mark

1888/89

9.399,50 Mark

1889/90

8.990,00 Mark

1890/91

9.169,75 Mark

1891/92

9.705,80 Mark

1892/93

7.435,30 Mark

1893/94

9.267,11 Mark

1894/95

9.789,30 Mark

1899/1900

9.430,00 Mark

1900/01

11.089,30 Mark

1901/02

12.605,20 Mark

1903/04

12.695,50 Mark

1904/05

13.289,25 Mark (zusätzlich 285,08 Mark)

1905/06

11.754,60 Mark

1906/07

12.731,80 Mark

1907/08

13.417,20 Mark

1908/09

13.986,00 Mark

1909/10

15.266,00 Mark


*die Angaben der Tabelle sind Orientierungswerte


Quelle:Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 98 - 99.


Übersetzung: Natalia Klajman

Print
Fußnoten
  • [1.1] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 79.
  • [1.1.1] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 79.
  • [1.2] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 80.
  • [1.3] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 83.
  • [1.4] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 84-85.
  • [1.5] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 85.
  • [1.1.5] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 85.
  • [1.6] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 89.
  • [1.1.6] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 89.
  • [1.7] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 101.
  • [1.8] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 102.
  • [1.9] Salinger, Gerhard: Elbing, [in:] Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreussens, Bd. 1, New York 2009, S. 104-106.