Die Anfänge der jüdischen Siedlung in Gleiwitz sind nicht genau dokumentiert. Wahrscheinlich lebten Juden bereits im Mittelalter in der Stadt. Ein Hinweis darauf ist die Existenz einer damals als Judengasse (später Judenstrasse) bezeichneten Straße, die auf dem Gebiet des Kartoffelmarktes (poln. Targ Ziemniaczany) lag. Es ist jedoch sicher, dass die Juden Gleiwitz nach der 1578 verabschiedeten Ankündigung des Privilegs de non tolerandis Judaeis verlassen mussten. Die Verabschiedung dieses Privilegs stand im Zusammenhang mit der Bestätigung der in den Jahren 1582-1584 von Kaiser Rudolf II. erlassenen kaiserlichen Edikte, nach denen Juden dazu aufgefordert wurden, die Kronländer der Habsburger, mit Ausnahme eigens eingerichteter Enklaven, zu verlassen. Es ist jedoch nicht bekannt, wie lange das Privileg für Intoleranz gegen Juden in Gleiwitz in Kraft war.

Aufgrund des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) kam es zur Entvölkerung vieler schlesischer Städte. Im Bestreben, die Staatsfinanzen zu verbessern, ließ Kaiser Ferdinand die Politik gegenüber Juden im Jahre 1627 abmildern und erließ ein neues Edikt, welches den Juden die Möglichkeit einräumte sich nach Zahlung einer Sondergebühr in Höhe von 40.000 Gulden erneut niederzulassen. Das kaiserliche Edikt erlaubte Juden unter bestimmten Bedingungen Handel und Handwerk zu treiben, wenngleich dies nur eine privilegierte Gruppe von Juden, die sog. Hofjuden, betraf. Der Kaiser erlaubte ihnen ebenfalls die Verpachtung von Zöllen und Steuern. Auch konnten sie Häuser kaufen und in ihr Eigentum überführen. Der am 24. Oktober 1648 geschlossene Westfälische Frieden, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, machte die Ansiedlung von Juden abhängig von der Entscheidung der Landgutsbesitzer. Die Bestimmungen des Traktates betrafen auch die Gebiete Oberschlesiens. Womöglich hat ein Jude Mitte des 17. Jahrhunderts ein Gasthaus in Gleiwitz pachten können, indem er von diesem Privileg Gebrauch machte.

Die ersten schriftlichen Erwähnungen über die Anwesenheit von Juden in Gleiwitz stammen aus dem Jahre 1698. Am 1. Mai 1698 taufte der ortsansässige Pfarrer Fröhlich eine 18-jährige Jüdin, indem er ihr die Namen Anna Maria Renata verlieh. Es handelte sich hierbei um die Tochter des Pächters des Gasthauses Enocha und seiner Ehefrau Magdalena. Pate wurde der Baron Bernhard von Welczeck.

Im Mai 1713 erließ Kaiser Karl VI ein Toleranzpatent, welches den Juden die Möglichkeit bot sich nach Entrichtung einer Toleranzsteuer in Schlesien niederzulassen. Zwei Jahre später, 1715, erhielten Juden das Privileg Schenken in Gleiwitz zu betreiben. Im Jahre 1715 bzw. 1717 kam Salomon Loebel in die Stadt, der mit der Zustimmung des Barons von Welczeck ein Gasthaus pachtete. Loebel lebte in einem Haus, welches frei von städtischen Steuern war. 1721 erhielt Joseph Hirschel, der aus Rybnik stammte, die Erlaubnis, einen Kramladen zu pachten.

Im Oktober 1726 erließ das Schlesische Oberamt (poln. Śląski Urząd Zwierzchni) das Patent „Wegen der Juden”, wonach es Juden verboten wurde sich in Ortschaften und Häusern niederzulassen, in denen sie vorher nicht gelebt hatten. Auf diese Weise wurde neuen jüdischen Siedlern (sog. Fremden) die Ansiedlung in Schlesien verwehrt. Das Patent führte zudem das sog. Inkolatrecht ein, aufgrund dessen in jeder jüdischen Familie nur ein Sohn heiraten und das Recht auf den Aufenthalt im Land (lat. incolae) erlangen konnte. Alle anderen Söhne wurden als Fremde angesehen und mussten nach Erreichen der Volljährigkeit die Landesgrenzen verlassen.

Im Jahre 1739 gehörten zu den tolerierten Juden in Gleiwitz: Salomon Löbel mit Ehefrau Chana und den Söhnen Samuel, Dawid, Mojes, Jakub und Tochter Magdalena (Sie pachteten den städtischen Ausschank und hatten die Zustimmung einen eigenen Privatlehrer für die Kinder sowie einen Branntweinbrenner zu haben.), Jacob Löbel mit Ehefrau Eva, den Söhnen Isaak und Samuel sowie Tochter Ludischa (Sie pachteten einen Alkoholausschank und waren im Besitz einer eigenen Dienerin – Jacob war der Schwiegersohn von Salomon Löbel), Joseph Hirschel mit Ehefrau Rosina, den Söhnen Feitel, Samuel und Mayer sowie den Töchtern Machel, Zartel und Rachel (Besitzer eines kleinen Kramladens, besaß die Erlaubnis für einen eigenen Privatlehrer). Im Jahre 1742 wurde Salomon Löbel zum ersten jüdischen Hauseigentümer der Stadt Gleiwitz. Er erwarb das Eigentum vom Baron von Welczek.

Während des ersten Schlesischen Krieges im Jahre 1742 ging der größte Teil Schlesiens in den Besitz des Königreiches Preußen über. Die schlesischen Juden begrüßten den Beginn der preußischen Herrschaft mit großer Hoffnung auf ein besseres Leben. Jedoch wurde Salomon Löbel wahrscheinlich während des Truppenmarsches durch Gleiwitz ausgeraubt und musste den Pachtvertrag vorübergehend aufheben. Der Krieg zwang auch Jacob Löbel den Ausschank zu schließen und Hirschel verarmte. Doch trotz dieser zeitweiligen Schwierigkeiten gelang es ihnen ihre Interessen schnell wieder aufzubauen und schon im Jahre 1743 pachtete Salomon Löbel eine Brennerei mit Ausschank, während sich sein Sohn Samuel selbstständig machte, ein Haus anmietete und einen Ausschank betrieb. Jacob Löbel war Hauseigentümer und betrieb ebenfalls einen Ausschank. Auch Hirschel eröffnete einen Kramladen mit Gewürzen und Wolle und kaufte ein Haus. Nach Gleiwitz kamen: Samuel Moyses (pachtete eine Brennerei), Hirschel Löbel (betrieb einen Ausschank im Haus des Barons von Welczek) und Levek Wolff (handelte mit Leder und Mazelan). Im Jahre 1743 lebten vier jüdische Familien, die insgesamt 28 Personen zählten, in der Stadt. Für die Erlaubnis sich in Schlesien niederzulassen entrichteten sie ein sog. Toleranzgeld, welches sie in zwei Halbjahresraten an einer Kasse in Koźle an den Staat zahlten.

Im Jahre 1747 ließ sich Loebel Samuel im Dorf Zdzierdz (heute Rzeczyce) nieder. 1748 siedelte sich Salomon Moyses aus Koźle in Ligota an, wo er Pächter war. 1751 war Salomon Loebel Pächter in Żerniki.

In den Jahren 1753-1795 forderten die Krämer und Kaufleute aus Gleiwitz erfolglos von der Stadtverwaltung, in der Stadt das Statut de non tolerandis Judaeis einzuführen. Dies hätte die jüdische Besiedelung der Stadt begrenzt, indem die bereits in Gleiwitz lebenden Juden zu sog. „unantastbaren Juden“ ernannt worden wären, die bis zu ihrem Tod in der Stadt hätten leben können. 1755 wurde ein neues Steuersystem eingeführt, welches die Juden in Grundbesitzer und Nicht-Grundbesitzer einteilte. Abhängig vom eingenommenen Grundbesitz, mussten sie eine Steuer in Höhe von 10 bis 30 Talern zahlen.

Erst nach 1750 wurde in Gleiwitz eine jüdische Gemeinde gegründet, da es mindestens zehn erwachsene Männer für die Abhaltung von Gebeten geben muss. Die ersten Gottesdienste fanden in einem privaten Haus in der Pfarrgasse (heute ul. Plebańska) statt. Am 29. Oktober 1753 forderte Salomon Loebel (Pächter eines Ausschanks und einer Brennerei) von der Stadtverwaltung in Gleiwitz, sich an die Kriegs- und Domänenkammer zu wenden, um zu verhindern, dass sich andere Juden in der Stadt niederlassen konnten. Eine entsprechende Entscheidung in dieser Angelegenheit wurde am 27. März 1755 verkündet. Gemäß dieser konnten Juden, die bereits Häuser in Gleiwitz besaßen, bis zu ihrem Lebensende in der Stadt verbleiben. Ihre Erben mussten jedoch ihr Vermögen an Christen verkaufen und die Stadt verlassen. Gleichzeitig erhielt das Magistrat das Recht, eine spezielle Grundsteuer den sog. Grundzins, von den Juden zu erheben. Darüber hinaus waren sie dazu verpflichtet die sog. Toleranzsteuer und die sog. Personal-Accise zu entrichten. 1757 lebten in Gleiwitz sieben jüdische Familien mit insgesamt 41 Personen.

Im Jahre 1763 gab es 10 jüdische Familien in der Stadt, die insgesamt 51 Personen zählten. Aus dem Jahre 1763 stammte die erste schriftliche Erwähnung über die Existenz eines Gebetshauses in Gleiwitz. 1765 siedelte sich Salomon Abraham (Schankwirt) zusammen mit Ehefrau Hannele und fünf Kindern an. Die Volkszählung von 1766 erwähnt zudem den rituellen Schlächter der Gemeinde Samuel Loebel. Zur damaligen Zeit war der reichste Jude in Gleiwitz Baruch Salamon (Inhaber einer Lederfabrik), der inoffiziell die Rolle des Gemeindevorsitzenden ausübte. 1770 wurde Aron Abraham zum neuen Diener der Synagoge.

Die ungünstigen Siedlungsregeln für Juden führten dazu, dass im Laufe der Jahre die Zahl der in Gleiwitz lebenden jüdischen Familien zurückging. Im Jahre 1773 lebten sechs jüdische Familien, mit insgesamt 31 Personen, in der Stadt. Trotz dessen, flossen 1776 in die städtische Kasse in Gleiwitz 1268 Taler durch die Entrichtung der Toleranzgelder von sog. akzeptierten und tolerierten Juden.

Im Jahre 1776 befahlen die preußischen Behörden die Umsiedlung aller Juden innerhalb eines Monats von der rechten Oderseite auf die linke. An den neuen Orten, durften sie hingegen nur in Dörfern leben. Ein paar Jahre später, im September 1779, änderten die preußischen Behörden ihre Meinung und befahlen allen Juden die Dörfer zu verlassen und in die Städte zu ziehen. Als wichtigste Stadt für die Ansiedlung wurde Gleiwitz ausgewählt.

Im Jahre 1780 war Loebel Berel Moses Schlächter der jüdischen Gemeinde in Gleiwitz und übernahm 1782 auch die Pflichten des Kantors. Trotz der ungünstigen Atmosphäre im Hinblick auf die Ansiedlung von Juden in der Stadt, kamen 1780 Mendel Rafael und 1782 der Händler Joachim Abraham aus Leśnica in die Stadt. Im Jahre 1783 lebten 11 jüdische Familien, mit insgesamt 68 Personen, in Gliwice. Sie mussten Steuern in Form von Toleranz- und Personal-Accise sowie Nahrungsgeldern zahlen. Nach Entrichtung dieser Steuern erhielten sie eine entsprechende Bescheinigung, einen sog. Toleranzzettel.

Im Jahre 1787 zog sich die preußische Regierung aus den Umsiedlungsbestimmungen der Juden in eigens ausgewählte Städte zurück, da die von ihnen verlassenen Städte zu große wirtschaftliche Verluste einbüßten. 1790 lebten in Gleiwitz 77 Juden. In dieser Gruppe gab es die meisten Juden in Schlesien, die als sog. Stammjuden bezeichnet wurden.

Im Jahre 1791 erlaubten die preußischen Behörden den Juden eigene Handwerkszünfte zu gründen, was in der Praxis jedoch auf starken Widerstand und Proteste seitens der christlichen Handwerker und Händler stieß, die wirksam gegen die jüdische Konkurrenz vorgingen. 1793 lebten 16 jüdische Familien, mit insgesamt 62 Personen, in der Stadt. Alle von ihnen besaßen bereits vollständige Familiennamen, die sich häufig von ihrem Herkunftsort ableiteten, wie z.B. Birawer stammte aus Birawa und Hultschiner aus Hulczyn. Manchmal waren die Namen mit dem ausgeübten Beruf verbunden, wie z.B. Traugott, der im Gebetshaus diente. Die Volkszählung von Gleiwitz listet folgende Personen auf: Joachim Abraham Loewenfeldt, Hirschel Wolff Hayn, Moses Wolff Gutmann, Moses Aron Loewenstein, Itzig Meckel Birawera, Loebel Berel Traugott (Kantor und Schlächter der Gemeinde), Valentin Seeligmann Pappenhaymer, Aron Jacob Hultschiner, Israel Loebel Landsberger, Alex Moises Lichwitz sowie Moses Jacob Bartenstein. Am 27. August 1796 wandten sich drei Juden (Joachim Abraham Loewinfeldt, Hirschel Wolff Hayn und Moses Wolff Guttmann) im Namen der Gemeinde an das Magistrat mit der Bitte der Ernennung eines Vorsitzenden, der das Durcheinander in der Gemeinde hätte beseitigen können. Das Magistrat stimmte zu und der erste offizielle Vorsitzende der jüdischen Gemeinde wurde Moses Guttmann. Wer seine Anordnungen nicht befolgte, dem drohte eine Strafe in Höhe von 5 Talern oder 8 Tagen Haft.

Im Jahre 1803 lebten in Gleiwitz bereits 33 jüdische Familien mit insgesamt 109 Personen. Die jüdische Gemeinschaft vertrat zunehmend immer vielfältigere Berufe: Joachim Loewenfeld (Händler), Moses Guttmann (Arrendator, Brauer), Moses Loewenstein (Händler), Abraham Handler (Lederfabrikant), Daniel Schiffer (Schankwirt), Aron Hultschiner (Makler), Israel Landsberger und David Steiner (Pächter), Simon Goldstein Goldschmied), Hirschel Ehrlich, Baruch Brendel, Jonas Eger, Isaac Reich, Isaac Neisser, Isaac Fleischer, Joseph Victor Erb und Loebel Hamburger (Hausvermieter), Meyer Friedmann (Viehhändler) und andere.

Die ortsansässigen Juden wandten sich 1803 an die Stadtverwaltung mit der Bitte um Genehmigung zum Bau einer Synagoge. Geplant war ihre Errichtung neben der Brauerei, jedoch verweigerte die Stadtverwaltung ihre Genehmigung für den Bau. Im Jahre 1805 wandte sich der General Privilegirte Jude Gittel Baruch Plessner mit der Bitte um die Erteilung einer Baugenehmigung erneut an die Stadt. Doch auch dies war nicht von Erfolg gekrönt. Am 25. Juli 1806 wurde der Schuhmacher Josef Blumenrich zum ersten jüdischen Mitglied in der Zunft der Handwerker in Gleiwitz. Dadurch erlangte er das Recht seinen Beruf auszuüben und eine Marktbude zu führen. Für 186 Taler erwarb er vom christlichen Schuhmacher Johann Leikert die Schusterbank Nr. 20. Im Jahre 1807 war der reichste Jude in Gleiwitz Wolf Guttmann Moses, der eine Jahresmiete in Höhe von 1200 Talern entrichtete.

Im Februar 1808 setzte die preußische Regierung alle feudalen Privilegien der Zünfte und Städte, darunter auch die Privilegien de non tolerandis Judaeis außer Kraft. Seitdem konnten Juden sich mit der Zustimmung der Behörden in allen schlesischen Städten niederlassen und Immobilien erwerben. Im Jahre 1809 waren sie Eigentümer von 20 Häusern in Gleiwitz. Die Stadtverwaltung entschied daraufhin, dass zu viele Juden in der Stadt Immobilien besaßen und erließ am 30. August 1809 das Verbot weitere Häuser zu erwerben. Das städtische Statut zufolge durften nur 18 Häuser im Stadtzentrum in jüdischem Besitz sein. In den Jahren 1808–1809 wurde das erste gemeinsame Gebetshaus der Gleiwitzer Juden gegründet. Es entstand im privaten Haus des Händlers Schlesinger, in der Pfarrgasse in der Nähe der Allerheiligenkirche. Im Jahre 1811 lebten in der Stadt 170 Juden. Vorsitzender der jüdischen Gemeinde war der Händler Joachim Loewenfeld, sein Nachfolger war Moses Loewenstein.

1811 erlaubte die Stadtverwaltung den Bau einer Synagoge auf einem Platz, auf dem einst vermutlich eine Burg stand. Die jüdische Gemeinde erwarb am 8. Juli 1811 das Grundstück von der Witwe des Polizeipräsidenten Schwürtz. Das älteste Dokument, in dem der Name des Rabbiners von Gleiwitz erwähnt wird, ist datiert auf den 18. Juli 1811 und beschreibt den Kauf des Gebäudes Nr. 155, welches als Synagoge genutzt werden sollte. Unter den 20 Unterschriften, die auf diesem Dokument zu finden sind, befindet sich auch die Unterschrift: „Samuel Hirschel Rabbiner”. Bożena Kubit weist darauf hin, dass der Rabbiner Samuel Hirschel und der Lehrer Samuel Biedermann, der 1803 oder 1804 zusammen mit seiner Frau Theresie nach Gleiwitz kam, ein und dieselbe Person sind. Er war Lehrer für den Talmud und die Tora. Im Juli 1812 änderte er seinen Namen in Morgenstern, unter dem er in späteren Dokumenten zu finden ist.

Im Jahre 1812 lebten in Gleiwitz 46 jüdische Familien mit insgesamt 174 Familienmitgliedern. Dies waren Mitglieder der Familien: Loewenfeld, Bendel, Fraenkel, Lichtwitz, Hultschiner, Goldstein, Eger, Hamburger, Blumenreich, Landsberger, Tropplowitz, Neulander, Fleischer, Neusser, Kohn, Schiffer, Guttmann, Steiner, Loewi, Tworoger und Kessler. In diesem Jahr wurde in Gleiwitz zudem die Synagoge erbaut (heute befindet sich an dieser Stelle das Gebäude der Polizei). Die Einweihungsfeier der Synagoge fand am 4. September 1812 statt. An der Zeremonie nahmen u. a. der Prinz von Anhalt-Köthen, Offiziere des städtischen Garnison, Mitglieder des Magistrats, Gemeinderäte, der evangelische Pastor Ansorge, zwei katholische Pfarrer sowie Mitglieder der Bürgergarde teil. Man stellte zu dieser Zeit auch den Rabbiner Samuel Biedermann (geb. 1768 in Olesno) ein. Die jüdische Gemeinde bezahlte ihm 67 Taler und 6 Silbergroschen pro Jahr. Zur selben Zeit entstand in Gleiwitz die erste private jüdische Schule, an der Izaak Sander aus Nysa Lehrer war. Er lehrte 48 Kindern den Talmud und brachte ihnen das Lesen, aber auch das Schreiben in deutscher Sprache bei. Etwas später wurde Lazarus Silber Lehrer an dieser Schule.

Im Jahre 1814 fand in Gleiwitz eine Versammlung der jüdischen Gemeinden Oberschlesiens statt. Die Versammlung wurde von Abraham Muhr (1780-1874), Ratsmitglied aus Pszczyna, geleitet. Es wurde beschlossen, die jüdischen Gemeinden in ihrer religiösen Tätigkeit zu vereinigen sowie sich gegenseitig zu helfen.

In den Jahren 1814–1815 besuchte der Rabbiner Benjamin Wolff, über den nur wenig bekannt ist, Gleiwitz. Im Jahre 1814 oder 1815 kam der Rabbiner Nachman Wolff Wischnitz aus Breslau in die Stadt. 1815 wurde in Gleiwitz der jüdische Friedhof gegründet, der im Vorort Piasek gelegen war. Bis dahin wurden Verstorbene in der Nähe von Wielowieś und Mikołów beigesetzt.

Das Fehlen gesetzlicher Vorschriften in Bezug auf das jüdische Schulwesen führte 1820 zu einer Entscheidung der Bildungsbehörden in Oppeln, über die Verlegung jüdischer Schulkinder in die städtische katholische Schule in Gleiwitz. Trotz dieser Entscheidung setzten die Lehrer Izaak Sander, Mojżesz Brenner, Hirsch Jacobson und Marcus Lichtwitz ihren Privatunterricht fort.

Im Juli 1821 verboten die preußischen Behörden den Juden, ihre Unterschrift auf Hebräisch zu setzen. Ab diesem Zeitpunkt war in allen formellen Angelegenheiten nur noch die deutsche Sprache erlaubt.

Im Jahr 1823 lebten in Gleiwitz bereits 84 jüdische Familien mit insgesamt 430 Personen. Unter den ausgeübten Berufen gab es: 7 Händler, 7 Krämer, 1 Hausierer, 3 Schnapsverkäufer, 1 Lebensmittelhändler, 1 Handelsassistent, 6 Destillatoren, 3 Konditoren, 8 Schankwirte, 2 Gastwirte, 6 Weingutbesitzer, 4 Bäcker, 3 Metzger, 3 Brauer, 4 Branntweinbrenner, 2 Goldschmiede, 1 Totengräber, 1 Schumacher, 1 Klempner, 1 Transporteur über den Klodnitzkanal, 1 Müller, 2 Seifensieder, 1 Rabbiner, 1 Kantor, 3 Synagogendiener sowie 3 Privatlehrer. 1823 fuhr der Rabbiner aus Gleiwitz Wolff Wischnitz nach Żory, um den Sohn des Händlers Adolph Loew zu beschneiden und starb dort an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Sein Nachfolger wurde der Rabbiner Hirsch Jakob Zuckermann (geb. ca. 1780 in Breslau), der am 6. Juni 1823 aus Breslau kam. Sein Wirken fiel in die Zeit schwieriger Diskussionen über das Wesen des Judaismus in der gegenwärtigen Welt und der Notwendigkeit von Reformen. Es war daher verständlich, dass manche Aussagen des Rabbiners Kontroversen auslösten. Die Funktion des Schlachters und Kantors hatte zur damaligen Zeit Bernhard Cohn inne, der 1827 nach Żory zog.

Im Jahre 1828 lebten im gesamten Gleiwitzer Landkreis 1.464 Juden, womit sie 3,2 % der Stadtbevölkerung stellten. 1829 bestand der Vorstand der jüdischen Gemeinde aus J. Hendler, S. Troplowitz und M. Deutsch.

Im Jahre 1829 pachtete Josef Blumenreich vom Herzog von Pszczyna eine stillgelegte Glashütte im nahegelegenen Dorf Wesoła. Dies war der Beginn des Teilhabe der Gleiwitzer Juden an der Industrieentwicklung der Stadt. Im selben Jahr kam mit Sigismund Loewe, einem Doktor der Medizin, der erste jüdische Arzt nach Gleiwitz. Er heiratete Henriette Itzig und zog 1836 weiter nach Berlin. Im Jahr 1830 lebten in Gleiwitz 463 Juden. 1832 waren die Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde die Händler Jonas Eger und M. Boehm. Die Funktion des Schlachters und Kantors hatte zu dieser Zeit der aus Wielowieś stammende Joseph Kirschner (1828 zog er von Mikołów nach Gleiwitz) inne. Der zweite Schlachter war Moses Kessler (er kam aus Jarząbkowice bei Pszczyna).

Im Jahre 1833 wurde die zweite jüdische Elementarschule in Gleiwitz eröffnet. Direktor war Adolf Bial und Hilfslehrer Arnold Hoffmann. Die Lehrer wurden von der Gemeinde bezahlt und mussten von den zuständigen deutschen Bildungsbehörden in ihrem Amt bestätigt werden. 117 Kinder besuchten die Schule.

Im Jahre 1836 lebten in Gleiwitz 652 Juden, von denen 81 ein sog. Staatsbürgerschaftszertifikat besaßen. 1836 kamen die beiden jüdischen Ärzte Salamon Stroheim und Jacob Preiss (zog 1837 nach Prudnik) und 1839 der Doktor der Medizin Ludwig Preiss in die Stadt. Im Jahre 1841 ließ sich der Buchhändler Sigismund Landsberger in Gleiwitz nieder.

Am 19. Oktober 1840 wurden 15 Vertreter der jüdischen Gemeinde gewählt. Die Wahl wurde von fünf Wahlmännern vollzogen, die zuvor von allen berechtigten Mitgliedern der Gemeinde ernannt worden waren. So wurde Salomon Troplowitz zum ersten Vorsitzenden und Sekretär der Gemeinde ernannt, zweiter Vorsitzender war J.S. Nothmann und Vertreter des Vorsitzenden Ludwig Schlesinger. Sie alle wurden für einen Zeitraum von zwei Jahren gewählt. Im Jahre 1842 wurden Samuel Troplowitz und Emanuel Fränkel zu den Vorsitzenden der Gemeinde ernannt. Im Jahre 1843 besaß die jüdische Gemeinde in Gleiwitz eine Synagoge, eine Mikwe, eine 3-Klassen-Schule und einen Friedhof, auf dem ein Gebäude stand, in welchem sich eine Leichenhalle und die Wohnung des Totengräbers befanden. Ein Sitzplatz in der Synagoge kostete zur damaligen Zeit zwischen 5 und 10 Taler. Für ein rituelles Bad für Frauen in der Mikwe wurden 12 Silbergroschen fällig. Die Gemeinde bezahlte die Dienstwohnungen des Rabbiners, Kantors und Schammes. 1844 führten unzufriedene Gemeindemitglieder die Absetzung des Rabbiners Hirsch Jakob Zuckermann herbei, der nach Breslau ging. Auf diese Weise wurde Gleiwitz zur ersten Gemeinde in Oberschlesien, die ihren Rabbiner abgesetzt hatte, da dieser gegen die Reform des Judaismus war. Im Jahre 1844 war G. Hahn Vorsitzender der Gemeinde und Loebel Wollner sein Vertreter. 1846 wurde Loebel Wollner zum Vorsitzenden und Emanuel Fränkel zu seinem Vertreter.

Im Jahre 1845 entstand in Gleiwitz der erste jüdische Chor und mit ihm wahrscheinlich der erste Chor überhaupt in der Stadt. Sein Leiter war über 25 Jahre lang Willy Fleischer.

In den Jahren 1844–1848 blieb Gleiwitz ohne einen eigenen Rabbiner. In dieser Zeit wurde ein Teil der religiösen Aufgaben von Rabbinern aus Bytom, Pyskowice, Rybnik, Mikołów, Biała und Żory übernommen, während gleichzeitig darüber diskutiert wurde, wer neuer Rabbiner werden sollte. Vorübergehend erfüllte Abraham Deutscher die Funktion des Rabbinats-Assessors. Im Laufe dieser Diskussionen kam im Jahr 1845 der Professor der Universität Breslau Henrich Graetz nach Gleiwitz. Während seines Aufenthalts in der Stadt, hielt er einen Vortrag über die Vorteile ein orthodoxer Jude zu sein und erzeugte damit viele Kontroversen, weswegen er von den Gleiwitzer Juden nicht positiv aufgenommen wurde. Ein ernsthafter Kandidat für die Position des Rabbiners war im Jahre 1846 M. Goldstein aus Breslau. Dieser jedoch verzichtete. Im Anschluss wurde die Position dem Rabbiner Abrahamow Neud aus Morawy angeboten. Er war ein reformierter Rabbiner mit progressiven Ansichten, jedoch verweigerten ihm die preußischen Behörden die Erlaubnis nach Oberschlesien zu umzuziehen, unter dem Vorwand, dass es innerhalb der Grenzen des preußischen Staates nicht an qualifizierten Rabbinern mangele.

Am 8. Oktober 1847 wurden in der jüdischen Gemeinde in Gleiwitz neun Vertreter gewählt. Vorsitzender der Gemeinde wurde Emanuel Fränkel und sein Vertreter war Moritz Panofsky. Die jüdische Gemeinde in Gleiwitz umfasste zu dieser Zeit die folgenden nahegelegenen Dörfer: Nieborowice, Pilchowice, Żerniki, Zabrze, Makoszowy, Ligota Zabrska, Przyszowice, Szobiszowice, Czekanów, Trynek, Wójtowa Wieś, Ostropa, Szałsza, Szywałd und Żernica.

Im November 1847 erließ König Friedrich Wilhelm IV. ein Gesetz, welches die jüdische Bevölkerung mit der christlichen in ihren politischen und bürgerlichen Rechten gleichstellte, aber nichtsdestotrotz kam es entgegen staatlicher Verordnungen im Mai 1848 zu antisemitischen Ausschreitungen in Gleiwitz. Grund hierfür war ein Gerücht, welches Juden bezichtigte verantwortlich für das damals tobende Fleckfieber in Oberschlesien zu sein. Vor dem Hintergrund dieser Epidemie wurde erneut über die Emanzipation von Juden diskutiert. Die unmittelbare Ursache für die Ausschreitungen in der Stadt war jedoch ein von Dr. Max Ring veröffentlichter Artikel über die Emanzipation von Juden in der Zeitschrift „Der Oberschlesische Wanderer”. Als Reaktion darauf erschien eine beleidigende Schmähschrift in Form eines Flyers unter dem Titel „Nur keine Judenemanzipation” (poln. Tylko żadnej emancypacji Żydów).

Nach dem Lesen dieses Flyers, bereitete Dr. Ring einen weiteren Artikel vor, der am 2. Mai 1848 in der Zeitschrift „Gegenwart” erscheinen sollte. Doch bereits am Abend des 1. Mai forderte eine Gruppe von 21 Einwohnern von Gleiwitz vom Bürgermeister die Bestrafung des Dr. Ring. Anschließend initiierte eine Menschenmenge die Ausschreitungen in der Stadt. Es wurden Scheiben in jüdischen Häusern und Geschäften eingeschlagen und jüdisches Eigentum geraubt. Dr. Ring befürchtete gelyncht zu werden, weswegen er heimlich nach Breslau ausreiste. Die Ausschreitungen wurden am nächsten Tag von der Bürgermiliz und der Armee unterdrückt. Die Revolutionsbewegung von 1848 hatte aber auch positive Auswirkungen auf die jüdische Bevölkerung in Gleiwitz. Im Jahre 1848 wurde Salomon Troplowitz (Weinhändler) zum ersten jüdischen Mitglied des Stadtrates ernannt. Von diesem Moment an begannen Juden eine immer größer werdende Rolle im sozial-wirtschaftlichen Leben von Gleiwitz zu spielen. Bereits 1848 gründete Robert Caro die Hütte „Hermina“ in Łabędy. Sein Mitgesellschafter war der Hütteninspektor Kirstein aus Rudy.

Im Juli 1848 wurde Dr. Hirsch Hirschfeld zum neuen Rabbiner. Er war der erste Rabbiner, der eine akademische Ausbildung innehatte und er engagierte sich aktiv für die Entwicklung des jüdischen Bildungswesens in der Stadt.

Im Jahre 1850 verabschiedete das preußische Parlament eine neue Verfassung, welche endgültig die Bürgerrechte der Juden bestätigte. In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts gründete der Unternehmer Emanuel Friedlaender eine Speditionsfirma in Gleiwitz, die sich mit dem Export von Kohle (1872 erwarb er die ersten Mutungen im Kreis Rybnik) beschäftigte.

Am 8. August 1853 wurde Kraft eines Erlasses des königlichen Vertreters offiziell die jüdische liberale Gemeinde in Gleiwitz gegründet. Der Gemeinde waren Juden aus Łabędy, Toszek und Wielowieś untergeordnet. Am 20. Oktober 1854 wurde der jüdischen Gemeinde in Gleiwitz ein eigenes Statut verliehen, welches jedes Detail ihres Wirkens rechtlich festlegte. Die Gemeinde besaß war nun an eine juristische Person und ihr Eigentum konnte nur zu ihren eigenen Gunsten genutzt werden. Die Mitglieder der Gemeinde waren verpflichtet Beiträge zu entrichten, deren Höhe abhängig von ihrem Vermögen und ihren Einkünften war. Der Vorstand der Gemeinde setzte sich aus Emanuel Fränkel, Loebel Wollner, W. Blumenreich, L. Hahn und J.S. Nothmann zusammen.

Im Jahr 1856 wurde die jüdische Elementarschule in Gleiwitz in eine 5-Klassen-Schule umgewandelt. Zu dieser Zeit besuchten 313 Schüler die Schule und sieben Lehrer sowie eine Lehrerin waren angestellt. 1857 bestand der Vorstand der jüdischen Gemeinde aus: Loebel Wollner, Lazarus Hahn, W. Blumenreich, M. Silbergleit und S. Staub. Vorstandsvorsitzender war Emanuel Fränkel und Vorsitzender des Repräsentantenkollegiums war B. Mokrauer. Am 21. März 1859 wurde in Gleiwitz die erste Konferenz jüdischer Lehrer abgehalten.

In den Jahren 1859–1861 entstand eine neue Synagoge. Ihre Einweihungszeremonie fand am 29. August 1861 statt. Sie befand sich neben der alten Synagoge und zählte zur damaligen Zeit zu einer der prächtigsten und größten Synagogen in Oberschlesien. Gleichzeitig wurde die alte Synagoge abgerissen und an ihrer Stelle ein jüdisches Altenheim erbaut.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren viele Gleiwitzer Juden geschätzte Beamte im Dienste der städtischen Behörden. Einige von ihnen wirkten in kulturellen und gewerkschaftlichen Organisationen mit, während andere eigene Industrieunternehmen gründeten. Im Jahre 1865 gründete Josef Kleczewski die Gleiwitzer Darlehensgesellschaft (poln. Gliwickie Towarzystwo Pożyczkowe). Dagegen gründete 1866 der jüdische Unternehmer Heinrich Kern gemeinsam mit seinem Schwager Robert Caro eine Drahtfabrik in Gleiwitz, die unter dem Namen „Heinrich Kern & Co” betrieben wurde. Im Jahre 1867 errichtete S. Huldschinsky die erste Produktionsstätte für Rohre in Oberschlesien, die sich „Hahn & Huldschinsky” nannte. Nach einigen Jahren wechselte das Unternehmen seinen Namen in „S. Huldschinski u. Söhne” (heute Huta 1-go Maja). Gleichzeitig gründeten Emanuel Friedlaender und Fryderyk Grudman eine Handelskammer in Gleiwitz.

Im Jahre 1872 wurde der Verband der Oberschlesischen Synagogen-Gemeinden (poln. Związek Górnośląskich Gmin Synagogalnych) gegründet, zu dem auch die jüdische Gemeinde in Gleiwitz gehörte. Im selben Jahr eröffnete Josef Kleczewski seine Papierfabrik in Gleiwitz, die sich in auf die Produktion von Karton spezialisierte. Im Dezember 1881 zerstörte ein großes Feuer die Fabrik. Es gelang jedoch die Fabrik wiederaufzubauen und die Produktion erneut aufzunehmen. 1876 wurde der Fabrikant Heinrich Kern zum neuen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde. Der jüdischen Gemeinde in Gleiwitz gehörten zur damaligen Zeit folgende Gemeinden an: Nowa Wieś, Trynek, Szobiszowice, Gierałtowice, Czekanowa, Szałsza, Łabędy, Brzezinka, Ligota Zabrska, Przyszowice und Żerniki.

Im Jahre 1877 beschloss der Stadtrat in Gleiwitz die Abschaffung des konfessionellen Bildungswesens in der Stadt. Anstelle der jüdischen Elementarschule wurde eine multikonfessionelle Schule und für die drei ältesten Mädchenklassen die Jüdische Schule für Mädchen gegründet. Der Prozess der Umgestaltung der Schulen wurde im Jahre 1882 beendet.

In den Jahren 1878–1888 war Oskar Huldschinsky der Eigentümer der Produktionsstätte für Rohre „S. Huldschinski u. Söhne”. Im Jahre 1883 wurde der jüdische Unternehmer aus Gleiwitz Oscar Caro gemeinsam mit seinem Bruder Georg Eigentümer der Hütte „Julia” in Bobrek. Er führte 1887 zu einem Zusammenschluss der Hütte „Hermina” in Łabędy, der Firma „Heinrich Kern & Co” (Drahtfabrik) und der Hütte „Baildon” in Kattowitz. Als Folge dieses Zusammenschlusses entstand die Oberschlesische Eisenindustrie A.G. für Bergbau und Hüttenbetrieb. Später wurde auch die Hütte „Silesia” in Rybnik angeschlossen. Im Jahre 1882 sammelten die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Gleiwitz 3.780 Mark, die für die Unterstützung der Flüchtlinge, die vor den Pogromen in Russland flüchteten, bestimmt waren. Im selben Jahr erlitt der Rabbiner Dr. Hirsch Hirschfeld einen Hirnschlag, welcher ihn am 1. April 1884 zum Rücktritt und zum Eintritt in den Ruhestand zwang. Am 1. Juli 1884 wurde Dr. Wilhelm Münz (geb. 04.02.1856 in Tarnów) zum neuen Rabbiner. Er hielt schöne Rede voller Pathos, dank derer er nicht nur in Gleiwitz, sondern auch außerhalb von Oberschlesien schnell berühmt wurde.

Im Oktober 1884 wurde in Gleiwitz die Freimaurerloge „Die Humanitas” gegründet, die der jüdischen Organisation „B'nei B'rith” (deutsch „Söhne des Bundes) angehörte. Der erste Vorsitzende wurde Isydor Badrian.

Im Jahre 1885 gab es in Gleiwitz einen Krankenpflegeverein (poln. Związek Opieki nad Chorymi), einen Beerdigungsverein (poln. Związek Pogrzebowy), einen Wohltätigkeitsverein (poln. Związek Wspierania Sierot i Podniesienia Rzemiosła) und einen Frauenverein zur Unterstützung armer Bräute und Wöchnerinnen (poln. Związek Kobiet dla Wspierania Ubogich Narzeczonych i Położnic). Im Vorstand der Synagoge saßen zur damaligen Zeit Samuel G. Hahn, Meyer Staub, Adolf Schlesinger, Dr. Salomon Hauptmann und Louis Lichtenberg. Im Jahre 1887 wird in den Gleiwitzer Quellen der jüdische Richter Dr. Moritz Berwin erwähnt. Außerdem lebte der Rechtsanwalt Eugen Lustig in der Stadt.

Am 23. Oktober 1888 fand im Hotel „Schüers” in Gleiwitz ein Treffen der Delegierten des Verbands der Oberschlesischen Synagogen-Gemeinden statt. Nach einer hitzigen Diskussion benannte sich der Verband in den Synagogengemeinde-Verband des Regierungsbezirks Oppeln (poln. Związek Gmin Synagogalnych Regencji Opolskiej) um. Zu seinen Hauptaufgaben gehörten der Kampf gegen den Antisemitismus, die Bildung schlesischer Juden sowie der Bau jüdischer Waisenhäuser. Im Mai 1889 wurde der aus Gleiwitz stammende Dr. Simon Jeschijahu Freund (1823–1896) Vorstandsvorsitzender des Verbandes.

Im Jahre 1890 eröffnete C. Goldstein im Hotel „Prinz von Preußen” (später umbenannt in „Bahnhofshotel“) das erste Restaurant mit koscherer Küche in Gleiwitz. Am 7. Januar 1892 verliehen die städtischen Behörden von mit dem Arzt und Gesundheitsberater Simon Freund (1823 – Oktober 1896, Gleiwitz) Gleiwitz erstmals einem Juden den Titel des Ehrenbürgers der Stadt. Im Jahre 1893 übernahmen Juden erstmals die Berufe des Hoteliers (Max Weiss, Fedor Friedländer und Wilhelm Schäfer), des Richters (Dr. Max Hirschel), des Zahnarzts (Salo Kaiser) sowie des Ingenieurs (Hermann Königsfeld).

Parallel zur Entwicklung der jüdischen Gemeinde und des immer größer werdenden Engagements der Gleiwitzer Juden am wirtschaftlichen und sozialen Leben der Stadt, setzte sich der Ausbau der Huldschinsky'schen Produktionsstätte für Rohre fort. In den Jahren 1889–1890 wurden dort die ersten Martenöfen und eine Dampf- und Hydraulikpresse in Betrieb genommen. Im Jahre 1892 errichtete Huldschinsky für Arbeiter seiner Fabrik eine Wohnsiedlung mit 55 Zweifamilienhäusern. Später wurde an der Wohnsiedlung eine Kirche, die auch als „Huldschinsky-Kapelle“ bezeichnet wurde, erbaut. Im Jahre 1894 fand die Umwandlung der Produktionsstätte in die Gesellschaft „A.G. Huldschinsky'sche Hüttenwerke” statt, welche über ein Kapital in Höhe von 3 Mio. Mark verfügte. 1905 fusionierte die Gesellschaft mit der „Oberschlesischen Eisenbahnbedarfs A.G.” und wurde fortan unter dem Namen „Abteilung Stahlwerk” geführt. Auf diese Weise erhöhte sich das Kapital der Gesellschaft auf 20 Mio. Mark. Im Jahre 1890 gründete Bendix Meyer in Gleiwitz die Kesselfabrik „Oberschlesische Kesselwerke B. Meyer G.m.b.H.” Andere große Konzerne waren die „Oberschlesischen Kokswerke und Chemische Fabriken” und die „Oberbedarfsgesellschaft”. A. Blumenreich war Eigentümer einer Glashütte, Moritz Rahner besaß eine Seifenfabrik und Josef Schindler eine Zigarrenfabrik. Danziger, Münzer, Neufeld und Rappaport nahmen dagegen Dampfmühlen in Betrieb. Emanuel Fränkel gründete eine Privatbank, während Abraham Perls eine Wechselstube in Betrieb nahm. Eine namhafte jüdische Familie war die Familie Troplowitz. Zu ihr gehörten u.a. Salomon Troplowitz der erste jüdische Stadtrat, Louis Troplowitz, der eine Synagoge in Gleiwitz errichtete und Dr. Oskar Troplowitz, der eine bekannte Zahnpasta und die Nivea-Creme erfand.

Im Jahr 1896 galt das Hotel „Sansoussi”, errichtet in den 1870er Jahren von F. Friedländer und 1896 an Eilhelm und Fanny Neumarkt verkauft, als beliebtester Treffpunkt der jüdischen Intelligenz sowie als Ort an dem die meisten jüdischen religiösen Feierlichkeiten stattfanden. Es war berühmt für seine koschere Küche.

Am 7. Januar 1896 starb die Witwe Lina Lustig aus dem Hause Schlesinger in Leipzig. Sie hinterließ ein Erbe in Höhe von 100.000 Mark. Gemäß ihrem letzten Willen wurde 1897 ein dreiköpfiges Kuratorium zur Leitung der Stiftung gegründet, der die Hälfte der Hinterlassenschaft zugesprochen worden war. Die Zinsen aus dem Nachlass wurden zur Unterstützung notleidender gut beleumdeter Juden genutzt, sofern sie über 50 Jahre alt und arbeitsunfähig waren sowie aus Gleiwitz stammten. In den Dokumenten der Gemeinde von 1902 finden wir weitere neue Berufe, die von Juden ausgeübt wurden. Darunter die Inhaber der Mühle Max und Eduard Danziger, der Chemiker Dr. Richard Glogauer, der Besitzer des Steinbruchs Moritz Jacobowitz, der Oberingenieur Moritz Neumark, der Apotheker Leopold Ritter sowie der Drogist Salo Tworoger.

Im Jahre 1906 bestand der Vorstand der jüdischen Gemeinde in Gleiwitz aus Louis Lichtenberg, Siegmund Schüller, Dr. Bermann, Fritz Kochmann und Max Gassmann. Die Wahlen zur Gemeindeverwaltung wurden im Jahre 1911 im Sitzungssaal des Stadtrats im Rathaus abgehalten. Die Liste der Gemeindemitglieder zählt u.a. folgende Personen auf: die Richter Paul Görke und Siegfried Rosenthal, die Anwälte Leopold Brieger, Bernhard Cohn, Dr. Erwin Fröhlich und Dr. Emil Loewenstein, den Rechtsreferendar Dr. Rudolf Freund, den Justitiar Felix Haussmann, den Bankdirektor Arnold Böhm, den Besitzer der Ziegelei Fritz Bial, den Bauunternehmer Wilhelm Timendorfer, den Fotograf Max Wolff, den Maschinisten Siegmund Cohn sowie den Regierungsbaumeister Martin Fabian.

Anfang 1916 erkrankte der Rabbiner Dr. Wilhelm Münz schwer. Da er alle seine üblichen Pflichten nicht mehr ausführen konnte, stellte er im Februar 1916 seinen Stellvertreter den Rabbiner Dr. Samuel Moses Ochs (1886, Zborów – 1942, London) ein. Nach dem Tod von Münz, übernahm dieser im Januar 1917 den Posten des Rabbiners in Gleiwitz. Der Rabbiner Ochs begann sehr schnell den Witwen jüdischer Soldaten, die in der deutschen Armee gedient haben, zu helfen. Auch leistete er verwundeten jüdischen Soldaten, die in Feldkrankenhäusern in der Region von Gleiwitz untergebracht waren geistlichen Beistand.

Im Jahre 1917 verliehen die Stadtbehörden dem Notar Eugen Lustigow (geb. 08.10.1856 in Gleiwitz) den Titel des Ehrenbürgers. Weitere Träger dieses Titels waren der Rechtsanwalt Arthur Kochmann (1864–1943), der Arzt Simon Freund (1823–1896) sowie der Stadtrat Josef Kleczewski (1839–1922).

Am 28. Juni 1917 kam es zu einer großen Demonstration streikender Arbeiter in Gleiwitz, während derer es zu den sog. „Gleiwitzer Ereignissen“ kam, bei denen ca. 10.000 verzweifelte und hungrige Arbeiter größere Geschäfte in der Stadt zerstörten und plünderten. Auch die jüdischen Geschäfte von Walter Barasch, Hamburger und Neumann fielen ihnen zum Opfer.

Im Jahre 1918 gründete die herausragende Pianistin Ruscha Kohn eine Musikschule in Gleiwitz (in der heutigen ul. Zwycięstwa 28). Der Ausbruch der schlesischen Aufstände und die schwere Wirtschaftskrise führten jedoch dazu, dass die Schule erst 1922 ihren Betrieb aufnahm. In den darauf folgenden Jahren wurde die Schule in das Musikkonservatorium umbenannt.

Am Ende des Ersten Weltkrieges beschlossen viele deutsche Juden in Gleiwitz infolge der Änderung am Grenzverlauf und dem Wiederaufleben des polnischen Staates in größere städtische Zentren in Deutschland auszuwandern.

Am 20. März 1921, als in Oberschlesien eine Volksabstimmung stattfand, engagierte sich Rabbiner Samuel Ochs aus Gleiwitz besonders stark gegen die Teilung Oberschlesiens. Er rief die jüdische Bevölkerung dazu auf, während der Volksabstimmung ihre Stimmen für die Zugehörigkeit Schlesiens zu Deutschland abzugeben was ein Großteil der jüdischen Bevölkerung auch tat. In Gleiwitz wurden 32.029 (78,7%) Stimmen für den Verbleib in Deutschland und 8.558 (21,0%) Stimmen für die Zugehörigkeit zu Polen abgegeben. Als Resultat der Volksabstimmung verblieb die Stadt in Deutschland, allerdings war es erforderlich eine Änderung in dem territorialen Einzugsgebiet der jüdischen Gemeinde in Gleiwitz durchzuführen. Mit dem Entscheid vom 21. Februar 1923 wurde Sośnica, das früher zu Zabrze gehörte, der Gemeinde angeschlossen.

Im Jahre 1921 verfügte die Gemeinde über eine Synagoge, Mikwe, Schule und Bibliothek. Der Vorstand setzte sich zusammen aus A. Kochmann, H. Guttmann, Dr. Bermann, E. Grätzer und E. Kuschnitzky. Im Dezember des gleichen Jahres zog der Kantor Daniel Holzapfel von Bydgoszcz nach Gleiwitz und wurde dort zum Oberkantor der Gemeinde ernannt. Außerdem unterhielt die Gemeinde einen Religionslehrer und ab 1927 den Kantor Salomon Klamek, der Gebetsvorsteher, Schlachter und Schammes war.

In den Jahren 1920–1930 waren Juden aktiv am Aufbau des Handels mittlerer Betriebe und Unternehmen sowie von Dienstleistungen in Gleiwitz beteiligt. Im Stadtzentrum gründete Paul Rosenberg ein Unternehmen, welches Möbel herstellte und verkaufte; A. Schlesinger ein Unternehmen zum Transport von Möbeln; Max Wolff ein Fotostudio und Max Levy ein Geschäft mit Elektrogeräten und Beleuchtung. Mitte der 1920er Jahre entstanden in Gleiwitz zwei jüdische Sportvereine: Ha-Koach und „Schild”, in denen sich jüdische Jugendliche organisierten und verschiedene Sportarten, insbesondere aber Gymnastik und Leichtathletik ausübten. Es gab Wettbewerbe mit anderen jüdischen Sportvereinen aus Zabrze und Bytom, aber auch aus Königshütte, Breslau und Wien. In Gleiwitz wurden die Wettbewerbe größtenteils auf dem Sportplatz oder im Chrobry-Park ausgetragen.

Im Jahre 1926 wurde das Jüdische Altersheim in der Synagogengemeinde Gleiwitz eröffnet, das sich in der heutigen ul. Kościelna an der Synagoge befand.

Die sich entwickelnde jüdische Gemeinde in Gleiwitz zeigte eine zunehmende Aktivität im kulturellen Leben der Stadt. Es wurden Musikbands und Solisten zu Gastauftritten in die Stadt eingeladen. Am 12. November 1926 führte bspw. eine Gruppe der Kattowitzer Oper J. Halvey‘s Oper „Die Jüdin“ (poln. „Żydówka”) auf, was vom Gleiwitzer Publikum sehr gut aufgenommen wurde.

1927 bestand der Gemeindevorstand aus Arthur Kochmann, Hermann Guttmann, Dr. Bermann, Eugen Grätzer und Benno Markus. Am 17. Mai 1928 trat in Gleiwitz die Solistin Josma Selim auf, die von der hiesigen jüdischen Gemeinde eingeladen wurde. Der Auftritt fand im Konzertsaal in der ul. Klasztorna statt. Weitere Solisten, die in Gleiwitz auftraten, waren Ralph Benatzky sowie der Kantor Magnus Davidsohn. In der Synagoge fanden ebenso zahlreiche Konzerte statt, u. a. trat eine Gruppe Breslauer Artisten unter der Leitung des Regisseurs des Breslauer Stadttheaters, Hans Baron, auf.

Im Jahre 1930 wurden die Wahlen zum Vorstand der jüdischen Gemeinde in der Aula der Mittelschule in der Eberstrasse (heute ul. Strzody) abgehalten.

Ein großes Ereignis im kulturellen Leben von Gleiwitz war der Auftritt der Schauspieler des Hebräischen Theaters „Habima“ aus Moskau am Gleiwitzer Stadttheater im Oktober 1930. Sie führten das Stück „Dybuk” auf. Zu den von der jüdischen Gemeinde organisierten Aufführungen gehörten außerdem: „Nathan der Weise”, „Otello”, „Wesele Figara”, „Die Wildente”, „Hoffmanns Erzählungen”, „Palästina wie ich es erlebte”, „La Traviata”, „Zigeunerbaron”, „Week-end” und „Die Jüdin”. In den Jahren 1931–1938 agierte an der Synagoge ein Männerchor unter der Leitung des Musiklehrers Fleischer und des Kantors Freysinger.

Der Beginn des 20. Jahrhunderts zeichnete sich durch den Anstieg der jüdischen Emigration von Gleiwitz in den Westen Deutschlands aus infolgederer es 1932 in Gleiwitz nur noch 1.300 Juden gab.

Am 6. Mai 1932 besuchte eine Gruppe jüdischer Sportler aus Gleiwitz ein großes Treffen jüdischer Jugendgruppen aus Oberschlesien, welches in Taciszów veranstaltet wurde. Am Treffen nahmen Gruppen aus Gleiwitz, Strzelce Opolskie, Bytom, Opole, Koźle, Zabrze und Racibórz teil, insgesamt ca. 250 Personen. Der Höhepunkt der Veranstaltung war die Rede des Gleiwitzer Rabbiners Dr. Ochs, der über die sich verschlechternde Lage der jüdischen Jugend in Deutschland sprach. Er appellierte an die Jugendlichen, nicht aufzugeben, ihre Ziele weiterhin zu verfolgen und alle Schwierigkeiten zu meistern. Während des Treffens wurde der deutschen Heimat mehrmals die Ehre erwiesen, indem zu ihren Ehren dreimal der Ruf „Lang lebe!“ erklang. Die Veranstaltung endete mit dem Singen der deutschen Nationalhymne: Deutschland, Deutschland über alles...

Nach der Machtergreifung Hitlers (30.01.1933) fand in Gleiwitz, ähnlich wie in ganz Deutschland, am 1. April 1933 eine antijüdische Boykottkampagne statt. Vor jüdischen Geschäften, Anwaltskanzleien jüdischer Rechtsanwälte und Wartezimmern jüdischer Ärzte wurden uniformierte Schlägertruppen der Sturmabteilungen der NSDAP (poln. Oddziały Szturmowe NSDAP) aufgestellt. Ihre Anwesenheit wirkte abschreckend auf die Mehrheit der Kunden, die jüdische Geschäfte, Ärzte oder Rechtsanwälte besuchen wollten. Junge Schläger der nationalsozialistischen Hitlerjugend schlugen den Gleiwitzer Rabbiner Dr. Ochs zusammen. Am Montag, den 3. April 1933, gab die Parteiführung der NSDAP unter dem internationalen Druck nach und stellte die antijüdische Boykottkampagne ein. Die für den 5. April geplante Aktion der Kennzeichnung jüdischer Geschäfte wurde abgesagt und die ortsansässigen Schlägertruppen der SA über die Verschiebung der Aktion auf einen späteren Termin informiert.

Im April 1933 begannen die Vorsitzenden der NSDAP die Rechte der jüdischen Bevölkerung in Deutschland einzuschränken. Unter anderem wurden jüdische Ärzte und Rechtsanwälte abgesetzt und ihnen wurde verboten ihrem Beruf nachzugehen. Es wurde der Grundsatz von maximal zwei jüdischen Rechtsanwälten pro Stadt in Oberschlesien verabschiedet. In Gleiwitz durften Dr. Lustig und Dr. Ernst Kohn weiterhin ihren Beruf ausüben. Dies bedeutete jedoch, dass 14 weiteren Anwälten jüdischer Herkunft in Gleiwitz diese Möglichkeit verwehrt wurde. Ähnliche antisemitische Repressionen wurden auch jüdischen Richtern zuteil. Da sie ernannt worden warem, konnten sie nicht von ihren Posten abgesetzt werden, weswegen die NSDAP sie unbefristet beurlaubte oder direkt in den Ruhestand schickte. In Gleiwitz traf diese Regelung auf den Justizrat des Bezirksgerichts Dr. Brauer, die Richter des Landesgerichts Dr. Siedner und Dr. Danziger sowie Tichauer, Assessor des Bezirksgerichts, zu. Im Ärztemilieu war der erste Schritt der NSDAP die Neubesetzung der Leitung des oberschlesischen Ärzteverbandes, an dessen Spitze der aus Gleiwitz stammende Dr. Haase gestanden hatte. Gleichzeitig kam es zur Auflösung unbefristeter Verträge mit jüdischen Ärzten durch die deutschen Krankenkassen und allgemeinen Versicherungsunternehmen. Von nun an konnten sie nur noch private Arztpraxen führen.

Zuvor, am 31. März 1933, kam es zur Entlassung des jüdischen Angestellten Franz Bernheim im Deutschen Familien-Kaufhaus in Gleiwitz. Am 12. Mai 1933 legte er Widerspruch vor dem Völkerbund in Genf ein, der einen Sonderausschuss für die Untersuchung des Falls einberufen hatte. Der gefällte Beschluss gewährte der jüdischen Minderheit in Oberschlesien Rechtsschutz bis zum Ende des Deutsch-Polnischen Abkommens über Oberschlesien von 1922, welches am 15. Juli 1937 auslief. Am 6. Juni 1933 verpflichtete sich der Vertreter der Reichsregierung, August von Keller, vor dem Völkerbund im Namen Deutschlands zur Wiederherstellung der Rechtslage in Oberschlesien vor dem 1. April 1933. Auf diese Weise genossen deutsche Juden, die auf dem Gebiet Oberschlesiens lebten, volle bürgerliche Freiheiten und Rechte bis zum Jahre 1937. Leider war es unmöglich dieselben Prinzipien auf die übrigen deutschen Juden zu übertragen.

Im Jahre 1934 war Dr. Arthur Kochmann der Vorsitzende des Verbands der Jüdischen Glaubensgemeinden mit Sitz in Gleiwitz. Gemeinsam mit G. Weissmann und Dr. Lustig nahm er den Kampf für die Rechte der Juden auf. Besonders oft mussten sie Juden verteidigen, die aufgrund ihrer Herkunft entlassen worden waren. Dank dieser Bemühungen konnten Juden in Gleiwitz weiterhin am normalen kulturellen Leben der Stadt teilhaben. Im Januar 1935 trat im Konzertsaal in der ul. Klasztorna die berühmte Sängerin Dela Lipinska auf. Konzerte wurden ebenfalls im „Viktoria-Theater” in der Wilhelmstrasse 28 sowie im Saal der Evangelischen Gesellschaft in der heutigen ul. Moniuszki organisiert.

Am 15. Juli 1937 traten Polen und Deutschland von der Verlängerung der Konvention über den Schutz der Rechte nationaler Minderheiten in Oberschlesien zurück. Dies bedeutete eine Ausdehnung der antisemitischen Gesetze des Dritten Reiches auf das Gebiet des deutschen Oberschlesiens. Trotz dieser Ereignisse führte die jüdische Gemeinde in Gleiwitz im Jahre 1937 das Stück des ungarischen Juden F. Molnar „Spiel im Schloss” sowie die Komödie „Große Liebe” auf. Dies waren jedoch die letzten Manifestationen eines normalen kulturellen Lebens der Gleiwitzer Juden. Ende des Jahres 1937 befahl die deutsche Geheimpolizei in Gleiwitz in einem geheimen Schreiben die Einstellung jüdischer Stücke und das Verbot der Vermietung von Sälen an Juden. Der nichts von dem Schrecken bevorstehender Ereignisse ahnende Rabbiner protestierte und drohte sogar gerichtlich dagegen vorzugehen.

Im Jahre 1937 begann die jüdische Gemeinde in Gleiwitz Sprachkurse für ihre Mitglieder, die beschlossen hatten aus Deutschland auszuwandern, zu organisieren. Die hiesigen Juden entschieden sich am häufigsten nach Südafrika, Brasilien und Argentinien auszuwandern. Im Oktober 1938 zwangen Nationalsozialisten 33 Familien polnischer Juden Gleiwitz zu verlassen und aus Polen auszuwandern.

Während der „Reichskristallnacht“ (09./10.11.1938) brannten die Nationalsozialisten die Synagoge in Gleiwitz nieder und zerstörten alle jüdischen Geschäfte. Auf Anordnung des Präsidenten der Polizei des Industriegebiets Dr. Palten wurde das Gebäude der niedergebrannten Synagoge gesprengt. Während dieser Ereignisse kam es zu etlichen Fällen von Schlägereien, unter anderem wurde der Rabbiner Dr. Samuel Ochs zusammengeschlagen. Überdies wurden ca. 230 jüdische Männer aus Gleiwitz im Alter zwischen 18 und 60 Jahren verhaftet. Sie wurden in Untersuchungshaft gesteckt und in einem der jüdischen Gemeinde angehörenden Klub festgehalten. Am nächsten Tag wurden sie in das deutsche nationalsozialistische Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Nach einigen Monaten konnten sie in ihre Häuser zurückkehren, wobei sie aber jegliche Illusionen aufgegeben hatten, weiterhin in Nazi-Deutschland leben zu können.

In der zweiten Novemberhälfte 1938 konzentrierten sich die Nationalsozialisten auf wirtschaftliche Angelegenheiten. Auf Verordnung von Herman Göring wurde die sogenannte „Arisierung“ durchgeführt, die die Beschlagnahmung jüdischen Eigentums zum Ziel hatte. Im Endeffekt bedeutete dies, dass Juden aus dem Stadtzentrum entfernt und der Möglichkeit des Verdienstes beraubt wurden. Es kam zu Fällen der Enteignung von Juden durch die Polizei in Gleiwitz, was damals geltendem Recht widersprach und  zu Vorbehalten seitens der SS-Führung in Berlin führte.

Im Herbst 1938 gab es in Gleiwitz noch 1.186 deutsche Juden sowie 30, die über eine ausländische Staatsbürgerschaft verfügten. Viele von ihnen entschieden sich zu dieser Zeit für die Emigration. Nach der Auswanderung des Rabbiners Dr. Ochs nach Großbritannien, übernahm am 21. April 1939 Egon Löwenstein (02.10.1912, Berlin – 1976, Chile) den Posten des Rabbiners von Gleiwitz. Ende 1938 und Anfang 1939 führten neue Verordnungen dazu, dass es Juden untersagt wurde Kinos, Theater, Parks sowie Schwimmbäder zu betreten. Es war ihnen auch verwehrt in Schlafwagen zu reisen und Radioempfänger zu besitzen. Sie wurden nur für die schlechtesten Arbeiten, wie z.B. die Straßenreinigung und Arbeit in Abwasserkläranlagen, angestellt.

Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, lebten in Mai 1939 noch 902 Juden in Gleiwitz. Mitte des Jahres entschied sich der Rabbiner Löwenstein nach Chile auszuwandern. Es wurden auch erfolglose Versuche unternommen jüdische Kinder durch ihre Emigration nach Großbritannien, die Niederlande und Belgien zu retten. Diese Aktionen wurden vom Apotheker Kunz geleitet. Während der Feierlichkeiten zu Rosch ha-Schana im September 1939 übte den Posten des Rabbiners Ksinski aus Chalottenburg aus. Im Oktober 1939 übernahm den Posten des Rabbiners von Gleiwitz Adalbert Saretzki (27.12.1911, Szczytno – 1942, Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau).

Im Mai 1942 begannen die Deutschen mit der Deportation der Juden aus Gleiwitz in das nationalsozialistische Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Mit den nachfolgenden Transporten (16., 20., 28. Mai und 8., 15., 23., 29. Juni) wurden 586 Juden aus der Stadt deportiert. Die letzte Deportation fand im Februar 1943 statt. In Gleiwitz blieben nur Juden, die in Mischehen lebten, zurück. Insgesamt waren das 40 Personen.

In der ersten Hälfte des Jahres 1944 wurden in Gleiwitz Zwangsarbeitslager in der Nähe von Industriebetrieben errichtet. Insgesamt wurden vier Lager errichtet, die Außenstellen des KL Auschwitz-Birkenau waren. Gemäß den Unterlagen wurden sie als Arbeitslager (AL) mit Folgenummer bezeichnet: AL Gleiwitz I, AL Gleiwitz II, AL Gleiwitz III sowie AL Gleiwitz IV. Die Häftlinge wurden aus dem Lager Auschwitz-Birkenau III Monowitz hierher gebracht. Ihre Ermordung erfolgte am 18. Januar 1945.

Im Januar 1945 wurden in Gleiwitz zunächst Häftlinge aus den vier Unterlagern des Konzentrationslager Auschwitz evakuiert. In die verlassenen Baracken wurden Häftlinge geschickt, die in Fußkolonnen im sogenannten „Todesmarsch“ (was auch tatsächlich ein Todesmarsch war) aus Auschwitz in die Stadt kamen. Die Fußkolonnen (jede Kolonne umfasste 500 Häftlinge) wurden von SS-Männer eskortiert, die schwache und erschöpfte Häftlinge töteten, wenn diese nicht Schritt halten konnten. Überdies wurden zum Teil auch Häftlinge getötet, die nur anhielten, um ihre körperliche Bedürfnisse zu erledigen oder um ihr Schuhwerk zu richten. Um die Anwohner nicht durch den Lärm der Schüsse zu beunruhigen, töteten die SS-Männer ihre Opfer, indem sie diesen mit Gewehrkolben den Kopf einschlugen. Hinter den Gefangenenkolonnen schritten sog. Hinrichtungskommandos, die den noch lebenden Häftlingen den Todesstoß versetzten.

Nach der Ankunft in Gleiwitz marschierten die Fußkolonnen durch die heutigen Straßen Wyszyńskiego, Powstańców Warszawy, Wrocławska, Daszyńskiego, Rybnicka, Jagiellońska und Franciszkańska. In Gleiwitz wurden die Fußkolonnen umformiert und in offene Güterwagen geladen, mit denen die Häftlinge gen Westen abtransportiert wurden. Es wird geschätzt, dass innerhalb des Gleiwitzer Stadtgebietes über 70 Häftlinge aus Auschwitz ermordet wurden. Auf dem jüdischen Friedhof in der ul. Poniatowskiego wurden zur damaligen Zeit 75–80 in Gleiwitz und in den Vororten ermordete Häftlinge bestattet. Im Frühjahr 1945 wurden Leichen ermordeter Häftlinge aus der ganzen Umgebung von Gleiwitz in die Stadt gebracht. Ein Teil von ihnen wurde auf dem kommunalen Zentralfriedhof beigesetzt. Nach 1948 wurde eine Reihe von Exhumierungen durchgeführt, um die Überreste der getöteten Häftlinge von ihren provisorischen Begräbnisstätten nach Gleiwitz zu überführen. Die meisten Überreiste, und zwar 288, wurden aus Rzędówka überführt.

Den Krieg überlebt haben in Gleiwitz 25 Juden, die in Mischehen lebten. Zu ihnen hinzu kamen zahlreiche jüdische Siedler, die im Zuge der Repatriierung aus den Gebieten der UdSSR in Massen hierher strömten. Am 17. Mai 1945 wurde eine jüdische Gemeinde gegründet, deren Vorsitzender in den Jahren 1945-1948 Zygmunt Freifeld war. Innerhalb der Gemeinde gab es eine Schule, eine Mikwe, einen rituellen Schlachthof, eine Küche und eine Bursa. Es liegt die Information vor, dass im Jahre 1945 Izrael Leitner Rabbiner in Gleiwitz war und dieser im Frühjahr 1946 ins Ausland abwanderte. Die meisten der Juden emigrierten nach und nach Richtung Westen sowie nach Israel. In den Jahren 1946–1950 war Kiwa Gross Rabbiner in Gleiwitz, der im Anschluss ebenfalls nach Israel auswanderte. Im Jahre 1950 lebten in der Stadt noch ca. 200 polnische Juden. In den Jahren 1968–1969 wanderte infolge der antizionistischen Kampagne ein Teil der Gleiwitzer Juden aus Polen aus.

Gegenwärtig leben in Gleiwitz noch ca. 25 Juden.

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